KESTRICH (mpe). Leise bewegen sich die großen Blätter von Brokkoli und Blumenkohl hin und her. Neben ihnen zuzelt der Sommerwind am filigran verästelten Kraut der Möhren. Ein Heer von Gemüsepflanzen aller Arten und Sorten duckt sich dicht an dicht auf gut 200 Quadratmetern in die sorgsam gelockerte Gartenerde. "Ob Sommer, ob Winter, das ganze Jahr über leben wir ausschließlich von Salat und Gemüse aus unserem Garten", berichtet Ursula Görig aus Kestrich. "Jegliche künstliche Dünge- und Pflanzenschutzmittel sind bei uns tabu", so Görig. Schon als Kind war es Ursula Görig nicht geheuer, wenn die Großmutter Gemüse, Lorbeerblatt und Petersilie mit irgendeinem stark nach Chemie duftenden Pulver mächtig zu Leibe rückte. Heute wachsen nicht nur Bohnenkraut, Borretsch, Majoran, Liebstöckel, Rosmarin gänzlich "ungepulvert" in dem mit viel Herzblut gepflegten Bauerngarten. Des Weiteren gehören Gurken dazu, Tomaten, Zucchini, Erbsen, Bohnen, Kräuter, Knoblauch, Weißkohl, Wirsing, Grünkohl und Pastinaken (wohlschmeckende winterharte Pfahlwurzel). Man kann an dieser Stelle nicht alles nennen, was sich in diesem beschaulichen Areal von Werner und Ursula Görig pudelwohl zu fühlen scheint. Allein vom Anschauen wirkt es auf den Betrachter wie die romantische Illustration aus einem gemütlichen Bilderbuch. Als ob ein Maler für seine Darstellung in die unzähligen verschiedenen Grüntöne bunte Tupfer hinein komponieren wollte, wirken bunt blühende Blütenstauden wie auf den Punkt gesetzte Leuchtfeuer. Da wechselt das grelle Weiß vom Phlox hinüber zur sonnengelben Taglilie, gelb-orange, schließen prächtige Dahlien den Kreis. Grellpink und frech hat sich Fingerhut mit seinen glockigen Blüten, gepunktet wie mit Sommersprossen, von selbst angesät, ein echter wie unverschämt giftiger Hingucker.
"Vor ein paar Tagen habe ich so manche Ecke schon wieder abgeräumt", sagt Ursula Görig. Abräumen heißt, dass die Reste der Pflanzen, die inzwischen geerntet sind, entfernt werden, die Blumen kommen auf den Kompost. "Die Gemüseabfälle verputzen unsere Hühner", ergänzt die Kestricherin. Spinat ist nun bereits verschwunden ebenso wie unter anderem Kopfsalat, Radieschen, Petersilie, nicht zu vergessen die Erdbeeren. Kurz ist jeweils die Verschnaufpause für das Gartenland. Schon ist wieder frisch eingesät für den Herbst: Endivien, Chinakohl, Fenchel, Zuckerhut, Feldsalat, Roter Salat, Kopfsalat. Grundsätzlich bedeckt werden Leerräume und Pfade mit dem Verschnitt von gemähtem Gras. "Darin sind Mineralien und das Unkraut wird etwas zurückgehalten. Im übrigen düngen wir mit getrocknetem Pferdemist von unseren Vierbeinern", so Görig. "Nicht gut drauf" sei in diesem Jahr der Dill gewesen, "regelrecht belagert von Blattläusen". Wenn in den Kapseln der Samen gebildet ist, wird die erfahrene Gärtnerin, die im übrigen gemeinsam mit ihrem Mann über Jahrzehnte den Hof mit Milchwirtschaft im Nebenerwerb führte, den Dill mit der losen Hand einfach übers Land streuen. "Vielleicht kommt dann sogar zum Herbst nochmal was, ansonsten hoffen wir auf´s Frühjahr."
An den Gemüsegarten von Werner und Ursula Görig schließt sich, abgetrennt durch einen asphaltierten Feldweg, ein weiteres Juwel an: Eine kuschelige Märchenwiese, in deren Mitte sich ein mit Schilf und prallen Seerosen besetzter Teich befindet. Frösche geben ihr Konzert, Kröten finden hier ihr Eldorado. Selbst von der Familie Görig angelegt wurde das Biotop vor zwölf Jahren, so alt sind auch Plisch, Plum, Heribert und Goethe, die vier Karpfen, die in ihren glänzenden Ausmaßen durchaus an Miniatur-Pottwale erinnern. Von selbst eingemietet hat sich seit 2015 vorzugsweise in den jeweiligen Sommermonaten ein Pärchen Teichhühner. Scheu sind die sechs schwarzen Plüschkugeln, die Vater und Mutter Teichhuhn derzeit aufziehen - ist ein Fremder in der Nähe, kommen sie erst gar nicht zum Vorschein.
Zu Ende der Spaziergang durch Märchenwiese und Gemüsegarten. Ein Glas kühles Mineralwasser, pfiffig aufgepeppt mit frisch gepflückter Minze, im Schatten der zugewachsenen Laube direkt am historischen Bauernhaus - das tut gut. Geprägt wird die Aura nicht zuletzt durch dekorativ eingesetztes Allerlei aus Uromas reichhaltigem Repertoire. Befreit aus den unergründlichen Nischen des Dachbodens erhalten die einstigen Gebrauchsgegenstände an diesem wie an anderen lauschigen Sitzplätzen - beispielsweise auf dem ehemaligen Lagerplatz für Dickwurz - ein zweites Leben. Ob Küchenstuhl oder Holztisch, die wettergegerbte Leiter aus grau gebleichtem Holz, ein Gurken- oder ein Bohnentopf aus dekorativem Steingut. Über 100 Jahre alt das fantasievoll gezimmerte Regal, auf dem einst Waschschüssel und Wasserkanne ihren festen Platz hatten, es gibt heute Basilikum und lila blühenden Geranien Halt und bildet damit eine schöne Kulisse.
Beim Verlassen des Hofes verlangt ein weiterer Blickfang einen letzten Stopp: Strahlend hellblau lehnen sich die Dolden eines Rittersporns an die mit rosa Blüten über und über besetzte Ramblerrose. Wild entschlossen scheint sie das massive meterhohe Scheunentor umrahmen zu wollen bis unters Dach.
July 14, 2020 at 04:00AM
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Pastinaken, Kohl, Kräuter und Salate im Feldatal - Oberhessische Zeitung
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