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Corona-Pandemie: Ändert Markus Söder seinen Kurs? - Süddeutsche Zeitung - SZ.de

Die Woche begann wie immer. Auftritt Markus Söder, Maske runter, Augenbrauen hoch. Man sei in einer "schwierigen Phase der Pandemie". Einerseits die Ungeduld, der Wunsch nach Lockerungen. Andererseits die Gefahr der Virusmutanten und Infektionszahlen, die stagnieren. Die Politik dürfe nun "nicht die Nerven verlieren", sagte Bayerns Ministerpräsident. Er mahnte und warnte. Eben alles wie immer. Nur blieb das nicht so. Erst kündigte Söder (CSU) an, dass in Bayern die Nagelstudios und Kosmetiksalons aufsperren dürfen. Dann, dass Gärtnereien öffnen und Blumenläden. Einen Tag später beschloss die Staatsregierung, dass Baumärkte komplett aufmachen dürfen - vor anderen Bundesländern. Plötzlich war da ein Verdacht: Verliert Söder selbst die Nerven?

"Bisher war er immer der harte Hund, jetzt fängt er an, eine Sache nach der anderen Sache zu öffnen." So reagierte der Regierungssprecher in Baden-Württemberg auf Söders Lockerungen - und schob hinterher, was wohl vielen durch den Kopf geht, die Söder gerade beobachten: "Ich weiß nicht, was das soll."

Also, was soll das? Man muss kurz zurückblättern, erste Februarwoche. Da überboten sich die Länder mit Stufenplänen zur Öffnung des Lockdowns. "Perspektive" war das neue Sehnsuchtswort - aber Söder schien taub zu sein dafür. Man könne "nicht einfach alles aufmachen", sagte er. Dabei hatte das kaum jemand verlangt. Dass Söder weiterhin von "Vorsicht und Umsicht" sprach, war nicht das Problem. Da war etwas anderes, das viele vermissten: dass er zu wenig darüber sprach, wie er das Land wieder aus dem Lockdown rausführen will. Söder war abhandengekommen, was sonst sein Stärke ist: ein Gespür für Stimmungen.

Auf Wünsche der Fraktion reagiert

Das ist eine Sichtweise, Söder hat eine andere: In einer so ernsten Lage dürfe die Politik nicht "irgendwelchen Stimmungen nachgeben". Die Wahrheit dürfte dazwischenliegen. Aus der Sitzung der Landtags-CSU am Mittwoch war zu hören, dass Söder die Lockerungen auch mit Wünschen seiner Fraktion begründete. Die hatte ihn teils offen gedrängt, den Geschäftsleuten in den Stimmkreisen eine Öffnungsperspektive zu geben - nachdem sie Söder fast ein Pandemiejahr unterwürfig gefolgt waren. Nun musste Söder spüren, dass auch der stärkste Ministerpräsident seine Fraktion nicht ignorieren kann.

Rückendeckung erhielt Söder von einem, der sich mit kritischen Aufwallungen in der Landtagsfraktion bestens auskennt. Der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber findet, dass die interne Kritik an Söders Corona-Kurs "völlig übertrieben" dargestellt werde. Es sei normal, dass Abgeordnete das, was sie in ihrer Heimatregion zu hören bekämen, in die Fraktion trügen und dass darüber dann geredet werde. Es sei "richtig", dass Markus Söder darauf reagiere und bestimmte Dinge ändere, sagte Stoiber. "Er greift das auf, ohne dass er seinen Kurs ändert."

Dabei war Söder ja lange derjenige, der die anderen trieb. Der voranschritt, als es darum ging, die Anti-Corona-Maßnahmen zu verschärfen. Nun eben geht es darum, die Menschen aus dem Lockdown herauszulotsen. Und auf einmal wirkt Söder selbst wie ein Getriebener.

Man kann also den Eindruck gewinnen, dass Söder binnen weniger Tage nachholen wollte, was er länger als andere versäumt hat: ein paar Lichter in den Pandemiehorizont zu tupfen. Neuerdings nennt er neben dem Inzidenzwert noch ein Kriterium, das mehr Spielraum für Öffnungen lässt, wenn hoffentlich bald die meisten älteren Menschen geimpft sind: die Mortalität. Aber macht das Söder gleich zum neuen Vorkämpfer der Lockerungsbewegung?

Wohl kaum. Wenn an Söder etwas authentisch ist, dann sein Respekt vor dieser Pandemie. Sieht man von den Baumärkten ab, hat Bayern immer noch vergleichsweise strenge Regeln, etwa Ausgangssperren in Hotspots und Maskenpflicht an Grundschulen. Die jüngsten Lockerungen haben ihren Grund schon auch darin, dass der Freistaat nach Monaten an der Spitze der Inzidenzranglisten inzwischen eher gut dasteht.

Nervenflattern und Kanzlerfrage

Wenn Söder jetzt im Verdacht steht, die Nerven zu verlieren, dann auch deshalb, weil die Menschen in ihm nicht nur den Ministerpräsidenten sehen - sondern zugleich den potenziellen Kanzlerkandidaten. Dass nun etwa Reiner Haseloff (CDU) in Sachsen-Anhalt ebenfalls die Baumärkte öffnet, wird nicht so sehr auf Anzeichen von Wahlkampfnervosität abgeklopft. Bei Söder aber ist das ausgeprägter. Solange er mit der Kanzlerkandidatur kokettiert, wird das Publikum in allem, was er tut, Spurenelemente von Nervenflattern suchen. Und er wird die Suche kaum beruhigen, indem er selbst über die Nervosität der anderen spekuliert.

"Öffnungshektik hilft niemandem", sagte Söder am Freitag - und warnte vor der Bund-Länder-Konferenz am kommenden Mittwoch zur Vorsicht bei Lockerungen. Zumindest am Ende der Woche ist bei Markus Söder wieder alles wie immer.

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