Das Vakzin von Biontech lindert Symptome. Erste Befunde zeigen auch: Womöglich verhindert es sogar eine Übertragung des Virus. Experten bleiben zurückhaltend.
Auf den ersten Blick scheinen es gute Nachrichten zu sein, die aus Israel kommen: Einem neuen noch unveröffentlichten Bericht des israelischen Gesundheitsministeriums zufolge lindert der Covid-19-Impfstoff von Pfizer und Biotech nicht nur die Symptome einer Covid-19-Erkrankung, sondern verhindert auch die Übertragung des Virus – ein Fund, der Hoffnung gibt auf die lang ersehnte Rückkehr zur Routine.
Experten warnen allerdings: Die Funde hätten keine wissenschaftliche Aussagekraft. Anders, als manche Berichte nahelegen, handelt es sich bei der Veröffentlichung des israelischen Gesundheitsministeriums nicht um eine wissenschaftliche Studie, sondern nur um einen vorläufigen Bericht – der es allerdings in sich hat: Demnach ist eine Person zwei Wochen nach Erhalt der zweiten Dosis des Pfizer-Impfstoffs mit fast 96-prozentiger Effektivität vor einer Infektion geschützt.
Ob der Pfizer-Impfstoff die Übertragung des Virus verhindern kann, galt bislang als große Unbekannte. Das ist aber wichtig, denn um die Pandemie schnellstmöglich einzudämmen, sollten sich so wenig Menschen wie möglich infizieren. Die neuen Funde scheinen die Frage nach der Verhinderung auch einer Übertragung positiv zu beantworten.
Gewissheit besteht jedoch nicht: Der Report, den das israelische Gesundheitsministerium am Wochenende veröffentlichte, ist nur wenige Seiten lang und enthält weder Angaben über die verwendeten Daten noch über die Methodik, die zu ihrer Analyse eingesetzt wurde.
Ohne derlei Angaben sei es „schwer, sich eine Meinung zu bilden“, schreibt Eran Segal, Forscher vom Weizmann-Institut, der sich zuletzt mit seinen Analysen von Covid-19-Statistiken einen Namen gemacht hat.
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Nadav Eyal, der israelische Journalist, der zuerst über die Funde berichtete, wunderte sich am Sonntag auf Twitter über den Enthusiasmus mancher Medien. „Wie ich in meiner Story betont habe, haben hochrangige Vertreter im Gesundheitsministerium gesagt, dass die Daten zur Infektionsreduzierung bestenfalls skizzenhaft sind“, schrieb er. „Sie hängen zu sehr von der Teststrategie ab.“
Weder Biontech noch das Ministerium wollten sich zu dem Papier äußern
Israels Gesundheitsministerium analysiert gemeinsam mit dem Impfstoff-Hersteller Pfizer Statistiken zum Verlauf der Pandemie in Israel und dem Einfluss der Impfkampagne, um Schlüsse über die Wirksamkeit des Impfstoffs ziehen zu können.
In dem jüngsten Manuskript wurde anhand israelischer Gesundheitsdaten von Geimpften und Ungeimpften unter anderem untersucht, wie gut der Wirkstoff vor Erkrankungen schützt, aber auch vor Infektionen.
Wichtig zu wissen dabei: Das Manuskript ist weder von den Unternehmen veröffentlicht noch in einem von Experten begutachteten Fachjournal erschienen. Es wurde israelischen Journalisten des Internetportals „ynet“ zugespielt und liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Weder Biontech noch das israelische Gesundheitsministerium wollten sich dazu äußern.
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Was steht drin im Manuskript? Der Wirkstoff sei „hocheffektiv“ bei der Verhinderung von Infektionen mit Sars-CoV-2, schreiben die Autoren. Sie hatten die Daten von Zehntausenden positiven Coronatests in Israel zur Verfügung und haben geschaut, wie viele der Infizierten geimpft oder eben nicht geimpft waren.
Das Ergebnis: Der Anteil der Menschen mit vollem Impfschutz, der in einem bestimmten Zeitraum positiv auf Corona getestet wurde, war wesentlich niedriger als der Anteil bei den Nichtgeimpften. Die Studienautoren schreiben in Bezug auf diesen Schutz von einer „Effektivität“ von 89,4 Prozent.
Die Ergebnisse sind nicht so eindeutig, wie die nackte Zahl vermuten lässt
Doch diese Zahl ist mit Vorsicht zu genießen: Die Ergebnisse der Studie sind nicht so eindeutig, wie die nackte Zahl zunächst vermuten lässt.
So geben die Autoren selbst zu bedenken, ihre Herangehensweise könnte dazu geführt haben, dass der Effekt der Impfung auf Infektionen überschätzt wird. Denn in Israel werden Ungeimpfte häufiger getestet als Geimpfte. Allein aus diesem Grund könnte es also schon mehr positive Tests in der Gruppe der Ungeimpften gegeben haben.
Das israelische Nachrichtenportal „ynet“ schreibt zudem: „Im Gesundheitsministerium wurde klargestellt, dass die Daten zur Wirksamkeit gegen Infektionen im Vergleich zu den anderen Daten am wenigsten gewiss seien.“
Zu einem späteren Zeitpunkt wollen die beiden Parteien Studien in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichen, die also einen Peer-Review-Prozess, eine Begutachtung durch andere Wissenschaftler, durchlaufen müssten und damit weit mehr Gewicht hätten als der nun veröffentlichte Bericht.
Bei den über 60-Jährigen gibt es weniger Klinikeinlieferungen
Unwahrscheinlich ist es allerdings nicht, dass die Corona-Impfstoffe sich auch auf eine mögliche Infektion mit dem Virus auswirken. So schrieben Forscher der Universität Oxford in einem zunächst nur online veröffentlichten und noch nicht offiziell publizierten Artikel für die Fachzeitschrift „The Lancet“ (hier zu lesen) Anfang Februar, dass eine Impfung mit der Vakzine von Astrazeneca die Übertragung des Coronavirus um 67 Prozent reduzieren könne.
Dass die Biontech-Impfung die Symptome der Erkrankung stark lindert, haben jedoch schon mehrere israelische Studien belegt – und inzwischen zeigt sich das auch im Alltag. Bis Samstag hatten nach Angaben des Statistikportals „Our World in Data“ von der Oxford-Universität fast 50 Prozent aller Israelis mindestens eine der zwei Dosen des Pfizer-Impfstoffs erhalten, die zur nahezu vollständigen Immunisierung notwendig sind.
In der Altersgruppe ab 60, in der die Impfrate bei über 90 Prozent liegt, sinkt die Zahl der coronabedingten Krankenhauseinlieferungen deutlich. Inzwischen müssen sich mehr jüngere Israelis wegen einer Covid-19-Infektion stationär behandeln lassen als ältere.
Auch die Zahl der täglichen Neuinfektionen fällt, obwohl die Regierung ihre Bürger Anfang Februar aus einem strengen Lockdown entlassen hat. Seit Sonntag dürfen in Israel nun auch wieder nicht-essenzielle Geschäfte öffnen, ebenso wie Fitnessstudios, Schwimmbäder, Theater und Büchereien.
Zutritt zu solchen Freizeiteinrichtungen bleibt allerdings jenen vorbehalten, die entweder eine Covid-19-Infektion hinter sich haben und als immunisiert gelten oder sich gegen das Virus haben impfen lassen.
Zu diesem Zweck hat das Gesundheitsministerium einen sogenannten „Grünen Pass“ erstellt, den Immunisierte sich per App herunterladen können. Am Sonntag jedoch war die Seite entgegen anderslautender Versprechen noch nicht verfügbar – offenbar hielt sie dem hohen Andrang nicht stand. (mit dpa)
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