In Deutschland häufen 100 Menschen insgesamt 66.545 Waffen an. Das sind – heruntergerechnet – etwa 665 Waffen pro Person. Dabei handelt es sich um die privaten Besitzer mit den meisten zugeordneten Waffen im Nationalen Waffenregister (NWR). Die Zahl beinhalte auch „Dekorations- und Salutwaffen“, teilte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag mit, die WELT vorab vorliegt.
Ob und wie Behörden Waffen in Privatbesitz stärker regulieren sollten, ist ein viel diskutiertes Thema. In den vergangenen Jahren kam es zu mehreren politisch motivierten Anschlägen mit Schusswaffen. Der rassistische Attentäter von Hanau etwa besaß legal zwei Waffen, obwohl er unter Verfolgungswahn litt und bereits 2002 in eine Klinik zwangseingewiesen wurde. Der Attentäter von Wächtersbach 2019, der einem Eritreer aus rassistischen Motiven in den Bauch schoss, war versierter Sportschütze. Auch bei islamistischen Anschlägen – etwa 2016 in Berlin oder 2020 in Wien – mordeten Täter mit Schusswaffen.
Von Waffen und Munition im Privatbesitz gehe eine große Gefahr für die Gesellschaft aus, sagt Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen. „Nicht, weil beispielsweise Sportschützen nicht zum überwiegenden Teil verantwortungsvoll mit ihren Waffen umgehen, sondern weil wenige Ausnahmen reichen, um großen Schaden anzurichten.“ Anfang Februar 2020 waren im NWR knapp 27.000 Personen mit einem gültigen Waffenbesitzverbot registriert.
Die Gesamtzahl der gespeicherten Waffen und Waffenteile ging bundesweit im Vergleich zum Vorjahr auf knapp 5,35 Millionen leicht zurück. Im Gegensatz dazu stieg die Zahl der Kleinen Waffenscheine um sechs Prozent auf rund 710.000 an. Dies sei, so Mihalic, ein „besorgniserregender Höchststand.“
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte diese Entwicklung Ende 2020 kritisiert. Vor allem Straftaten im Zusammenhang mit Schreckschusswaffen stiegen in der Hauptstadt stark an. Geisel forderte in WELT AM SONNTAG eine Prüfung, ob Änderungen im Waffenrecht zu einer stärkeren Reglementierung führen könnten.
Die Bundesregierung ist überzeugt, dass das aktuell geltende Waffenrecht den privaten Zugang zu Schusswaffen „auf das notwendige Maß beschränkt.“ Zuletzt wurde das Waffenrecht Anfang 2020 überarbeitet, um gegen einen Missbrauch durch Extremisten und Kriminelle vorzugehen.
Unter anderem sind Waffenbehörden verpflichtet, bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen den Verfassungsschutz zu beteiligen. Durch den Ausbau des Nationalen Waffenregisters (NWR) soll nun der „gesamte Lebenszyklus von Schusswaffen und wesentlichen Teilen nachverfolgbar“ werden. Dadurch erschwere man das Verschwinden von Waffen in der Illegalität.
3700 Waffen gelten als verloren
Im NWR sind derzeit rund 18.800 Waffen und Waffenteile als „abhandengekommen“ gespeichert. Etwas mehr als ein Drittel davon sind durch eine Straftat – zum Beispiel Diebstahl oder Raub – entwendet worden. Knapp 3700 Waffen gelten schlicht als verloren. Der Rest ist „auf sonstige Weise“ abhandengekommen.
Für Aufregung sorgten zuletzt immer wieder Waffen und Munition, die in Sicherheitsbehörden verschwanden. Alleine der Bundeswehr sind in den vergangenen zehn Jahren 60.000 Schuss abhandengekommen, wie WELT Mitte 2020 berichtete. In Leipzig steht derzeit ein rechtsextremer Elitesoldat der Bundeswehr vor Gericht, der in seinem Garten Waffen und Sprengstoff versteckt haben soll.
Aus der aktuellen Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass bei der Bundespolizei im Jahr 2020 „eine Dienstwaffe (Trainingswaffe, Pistole P 9 M FX, Hersteller Glock) – ohne Munition – als verschwunden“ registriert wurde. Bei der Zollverwaltung sei der Verlust von 17 Stück Patronenmunition, einer Handhabungsübungswaffe („nicht schussfähig“) sowie einem Reizstoffsprühgerät gemeldet worden.
Bei der Bundeswehr (Stand vom 3. Februar 2021), so die Bundesregierung, fehlten insgesamt „vier Handfeuerwaffen (zwei Pistolen, eine Signalpistole, eine Maschinenpistole) und 2.968 Einzelstücke Munition unterschiedlichen Kalibers“. Und weiter: „Zu 2.792 Munitionsartikeln dauern die Ermittlungen zu den Ursachen des Abhandenkommens noch an.“ Spreng-/ Explosivstoffe seien im vergangenen Jahr nicht abhandengekommen.
Mihalic sagt, ihr mache die hohe Zahl der abhandengekommenen Waffen große Sorge. „Das ist ja nicht der Schal in der Straßenbahn, der hier verlustig gegangen ist, sondern ein hochgefährliches todbringendes Instrument. Wir müssen die Schlupflöcher in dem Bereich der illegalen Waffen besser stopfen.“ Derzeit vernachlässige die Bundesregierung die statistische Aufarbeitung von Schusswaffenkriminalität. Mihalic: „Opferstatistiken fehlen weiter sowie valide Kenntnisse dazu, wie viele Taten mit Waffen und Munition aus legalen Beständen begangen werden.“
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