
Der Lockdown wird bis 18. April verlängert, das war schnell klar. Dann kam es zu einer Machtprobe, einer siebenstündigen Unterbrechung und einer Überraschung.
Die Zustimmung zum Krisenmanagement sinkt rapide, das Ausland schaut mit Verwunderung auf Deutschland und seine Impfprobleme. Und dann verzetteln sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länder-Regierungschefs beim mittlerweile 20. Corona-Gipfel wie nie zuvor. Und zwar unter anderem in einem Streit, ob ein Urlaub auf dem Campingplatz oder in der Ferienwohnung unter strengen Auflagen möglich sein soll - oder nicht.
Auch in Verhandlungskreisen wurde ein verheerendes Bild nach außen eingeräumt. Zwischendurch wussten Teilnehmer selbst nicht mehr, was jetzt der genaue Stand ist, es verfestigte sich der Eindruck einer gewissen Hilf- und Ratlosigkeit.
Schon die Vorbereitung war chaotisch verlaufen, mit 44 eckigen Klammern für strittige Punkte war in der Beschlussvorlage des Kanzleramts fast alles ungeklärt, auch weil die Länder immer stärker auf Sonderwege pochen.
Merkel, die in den vergangenen Wochen etwas abgetaucht und kaum noch öffentlich in Erscheinung getreten war, hatte nach drei Stunden bei der Bund-Länder-Schalte deutlich gemacht, dass das alles zu lasch und zu wenig sei, um die dritte Welle zu stoppen.
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in unterschiedlichen Gruppen weiterverhandelt, unter anderem in der 4er-Gruppe von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Olaf Scholz (SPD), Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD), dazu getrennt zwischen SPD- und Unions-regierten Bundesländern.
Überraschend kommt ein harter Oster-Lockdown ins Spiel
Es galt einen Ausgleich zu finden, zwischen den Wünschen nach neuen Perspektiven - und Maßnahmen, die eine Trendwende im Kampf gegen die Ausbreitung der Virusmutanten erreichen können.
Nach über fünf Stunden Unterbrechung lag dann überraschend eine Idee auf dem Verhandlungstisch, um zuvor nicht diskutierte einschneidende Maßnahmen zu beschließen. Demnach soll das Land vom 1. bis 5. April - also über die Ostertage - komplett heruntergefahren werden, um Kontakte und Infektionsrisiken auf ein Minimum zu reduzieren.
Das sind die Details des Oster-Lockdowns:
Dann würde alles schließen, zum Teil auch Supermärkte, erfuhr der Tagesspiegel aus Regierungskreisen. Der Name dafür: "Erweiterte Ruhezeit zu Ostern". Allerdings wurde für die Supermärkte über eine Ausnahmeöffnung am Ostersamstag diskutiert.
Wo es geöffnete Außengastronomie gibt, soll diese geschlossen werden, zudem soll es zur Vermeidung von größeren Zusammenkünften bei womöglich schönem Wetter ein Ansammlungsverbot geben und Ostergottesdienste sollen nur virtuell stattfinden.
Es war von einem harten "Wellenbrecher" die Rede, auch die wirtschaftliche Aktivität solle falls möglich auf ein Minimum reduziert werden.
Dem Vernehmen nach kam der Vorschlag für den harten Oster-Lockdown von der Unions-Seite, ob das wirklich etwas bringen kann, war zunächst unklar.
Denn der Shutdown von Gründonnerstag bis Ostermontag würde ohnehin nur zwei verkaufsoffene Tage treffen, da Karfreitag und Ostermontag Feiertage sind.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betonte: "Ich trage fünf Osterruhetage voll inhaltlich mit. Auf dem Weg dahin müssen wir in Deutschland aber noch mehr Aktivitäten deutlich reduzieren und nach Ostern braucht es einen Kraftakt in der Pandemie-Abwehr mit aktivem Testen, elektronischer Kontaktnachverfolgung und Impfen."
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Bisher längste Pause bei einem Corona-Gipfel
Während der Unterbrechung wurde nach Informationen des Tagesspiegels viel separat telefoniert. Vor allem Vizekanzler Olaf Scholz versuchte nach Tagesspiegel-Informationen auf seiner SPD-Seite zu vermitteln, er gilt ja als einer, der immer eine gesichtswahrende Lösung findet. Der Konflikt entzündete sich an dem Wunsch mehrerer Bundesländer für "kontaktarmen Urlaub" der Bürger im eigenen Bundesland, in Ferienwohnungen oder Wohnmobilen und Wohnwagen auf Campingplätzen nur für Bürger des jeweiligen Bundeslandes.
Den Vorstoß hatten gemeinsam die Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, Daniel Günther (CDU), Niedersachsens, Stephan Weil (SPD) und Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD) gemacht. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) und die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), unterstützen das. „Wir setzen uns halt für unsere Bürger ein“, hieß es aus einer Staatskanzlei.
Streit um Urlaub im Campingwagen
Nachdem von Seiten der Bundesregierung zunächst lange rechtlich ausgeführt wurde, warum wegen der niedrigen Inzidenzen nicht einfach so die Rückreiseregeln für Mallorca-Urlauber mit Testpflicht und Quarantäne verschärft werden könnten und die Airlines nun zumindest für Tests der Rückreisenden am Flughafen in Mallorca sorgen sollen, pochten die drei Nord-Länder auf eine Protokollnotiz, in der sie ihren Sonderweg festhalten wollten.
Sie stehen bei ihren Bürgern im Wort, Schwesig will zudem bei der Landtagswahl im September wiedergewählt werden. Und in den Küstenländern liegen die Inzidenzen - noch - unter 100. Kanzlerin Angela Merkel lehnte das kategorisch ab. Wenn sie das machen würden, dann könne man es auch gleich sein lassen, sagte die Kanzlerin, wie es aus Länderkreisen hieß. Letztlich ist der Streit um den Campingplatz-Streit symptomatisch für das schwierige Krisenmanagement, während andere Länder immer schneller mit dem Impfen vorankommen. Am Ende wurde der Plan der Nordländer aber blockiert - stattdessen konnte Merkel die sicher noch für Diskussionen sorgende "Osterruhe" durchsetzen.
Merkel pochte insgesamt darauf, dass wegen der dritten Welle im Gegenteil viel striktere Maßnahmen ergriffen werden müssten - aus den Reihen der Länder gab es dagegen in internen Runden Vorwürfe an sie, dass sie in Zeiten fehlender Begegnungen das Gespür für die Sorgen, Nöte und Wünsche der Bürger verliere, diese bräuchten Perspektiven. Zugleich gibt es laut Umfragen zwar schlechte Noten für das Krisenmanagement, aber wegen der sich ausbreitenden Mutanten weiter viel Zustimmung für Lockdown-Maßnahmen.
Auch Friedrich Merz schaltet sich ein
Und wäre dieser Streit nicht schon genug, meldete sich spätabends auch noch Friedrich Merz aus dem Sauerland zu Wort, der sich dort um die Kandidatur für ein Bundestagsmandat bewirbt. Er forderte vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und CDU-Chef Armin Laschet, auf den "Urlaubs-Kurs" einzuschwenken - und sich gegen Merkel zu stellen.
Merz pocht darauf, nicht nur Urlaub in der Ferienwohnung oder auf dem Campingplatz zuzulassen, sondern mehr: "Die Hotels und Gaststätten in den Ferienregionen des Sauerlandes verfügen über ausgearbeitete Hygienekonzepte, die sofort umgesetzt werden können. Wenn Ferienreisen nach Mallorca wieder möglich sind, dann muss Familienurlaub im Sauerland auch möglich sein.“
Erste Einigung kurz nach Gipfelbeginn
Bis zu diesem Konflikt, der symbolhaft steht für das Lager der Vorsichtigen und derjenigen, die mehr auf eine Strategie "mit dem Virus leben" setzen, war es noch halbwegs nach Plan gelaufen.
Eine erste Einigung gab es nach Tagesspiegel-Informationen kurz nach Start des Gipfels: Bund und Länder wollen den Corona-Lockdown wie bisher schon geplant bis zum 18. April verlängern.
Und: Es wird keine Lockerungen der Kontaktbeschränkungen über Ostern geben. Mit Blick auf die Feiertage pochten mehrere Länder aber auf Ausnahmen. Sie forderten, dass in der Zeit von 2. bis 5. April Treffen mit vier Haushalts-fremden Personen möglich sein sollen, auch wenn der Inzidenzwert von 100 überschritten wird. Der Punkt wurde - als noch nicht geeinter Punkt - dann auch in die Beschlussvorlage des Kanzleramts aufgenommen - und dann aber abgelehnt.
So bliebe es nach Tagesspiegel-Informationen auch über Ostern bei den dann geltenden Kontaktbeschränkungen. Liegt die 7-Tage-Inzidenz über 100 dürfen sich nur ein Haushalt plus eine weitere Person treffen. Das würde größere Osterzusammenkünfte der Familie oder zwischen Freunden unmöglich machen.
Weitere (Streit)-Punkte beim Gipfel:
- Im Vorfeld des Gipfels sorgte der Mangel an Schnelltests für Ärger, um die der Bund sich nicht früher gekümmert habe. Gerade für Kitas und Schulen soll es aber nun überall mehr und ausreichend Tests geben, wird versprochen - und Schüler sollen zum Gebrauch von Selbsttests angeleitet werden.
- Zwei Punkte, für die Merkel keine Mehrheit fand: Die Kanzlerin wollte Schul- und Kitaschließungen ab einer 100er-Inzidenz , wenn keine zwei Tests pro Woche möglich sind. Und eine Schließung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen ab einer 7-Tages-Inzidenz von 200 - die Länder pochen darauf, für diese Fragen weiterhin selbständig zuständig zu sein.
- Auch die von Merkel geforderte Ausgangssperre vom Vorabend bis zum nächsten Tag um 5 Uhr ab einer Inzidenz von 100 wurde vor der langen Verhandlungsunterbrechung blockiert.
Merkel begründete die von ihr gewünschten Verschärfungen und Rücknahme erster Lockerungen mit der rasanten Ausbreitung der Virusmutante B.1.1.7. Ohne deutlich einschränkende Maßnahmen würde die Zahl der Neuinfektionen so schnell steigen, "dass bereits im April eine Überlastung des Gesundheitswesens wahrscheinlich ist".
Es sei zwar bereits ein relevanter Teil der älteren Bevölkerung geimpft. Aber: Es trage die "nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen mehr als 60 Prozent höhere Sterblichkeit der in Deutschland nun führenden Mutante B.1.1.7 und die Tatsache, dass jüngere Patienten generell eine längere Verweildauer auf der Intensivstation haben, dazu bei, dass die Belastungsgrenze des Gesundheitssystems bei dem sich andeutenden exponentiellem Wachstum auch zeitlich nicht sehr viel später erreicht wird, als vor der Impfung der älteren Bevölkerung".
Klar ist dagegen: Die Kontaktbeschränkungen werden vielerorts wieder verschärft. Denn die Inzidenz liegt vielerorts aktuell über der Grenze von 100, ab der die „Notbremse“ gelten soll. Auch Läden, Museen, Galerien, Zoos und botanische Gärten müssen dann wieder schließen. Das Robert Koch-Institut (RKI) teilte am Sonntag mit, die Zahl der binnen einer Woche gemeldeten Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner liege bei 103,9.
Da die Bundesländer es bisher unterschiedlich handhaben, wird mit Blick auf die "Notbremse" für Regionen mit über 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern in sieben Tagen betont, dass diese "angesichts der exponentiell steigenden Infektionsdynamik "konsequent" umgesetzt werden müsse.
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Seit 7. März sind Zusammenkünfte mit fünf Personen aus zwei Haushalten erlaubt, plus Kinder unter 14 Jahren. Kommt es zur „Notbremse“ wären aber wieder nur noch Treffen mit einer haushaltsfremden Person möglich, plus Kinder.
Mit Blick auf das Thema Reisen, wird ungeachtet der Debatte um von mehreren Ländern gewünschte Ausnahmen für "kontaktarme Urlaube" appelliert, auf Reisen zu verzichten: "Bund und Länder appellieren weiterhin eindringlich an alle Bürgerinnen und Bürger, auf nicht zwingend notwendige Reisen im Inland und auch ins Ausland zu verzichten – auch hinsichtlich der bevorstehenden Ostertage".
Sie weisen nachdrücklich darauf hin, dass bei Einreisen aus ausländischen Risikogebieten die Pflicht zur Eintragung in die digitale Einreiseanmeldung verpflichtend ist, und dass eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 10 Tagen nach Rückkehr bestehe.
Appell an die Unternehmen - Notbremse ab 100er-Inzidenz
Daneben wird vor allem erneut mehr Tempo und eine Ausweitung bei den Schnelltests eingefordert, gerade auch durch eine Selbstverpflichtung von Unternehmen. "Die Tests sollen den Mitarbeitern mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zwei Mal pro Woche angeboten werden". Die SPD-Ministerpräsidenten appellieren darüber hinaus, Büros am besten ganz geschlossen zu halten.
Die Verhandlungen zeigten eindeutig: Angesichts des Impfstoffmangels im Land – erst neun Prozent der Bürger sind immunisiert – und seit Wochen fehlender Schnelltests wächst der Druck auf Merkel, neue Perspektiven aufzuzeigen.
Es zeichnet sich inzwischen deutlich ab, dass Merkel Probleme hat, einen gemeinsamen Kurs durchzusetzen. So setzt zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig nach der Kritik an der nur mäßig erfolgreichen Corona-Warnapp des Bundes auf andere Mittel.
Mecklenburg-Vorpommern hat für 440.000 Euro eine Landeslizenz für die von Rapper Smudo mitentwickelte „Luca“-App erworben: Besucher scannen beim Zutritt und Verlassen eines Restaurants oder Theaters einen QR-Code – die Daten werden verschlüsselt an die Gesundheitsämter übermittelt und nur zur Kontaktnachverfolgung ausgelesen.
Mehr Schnelltests und bessere Angebote zur Kontaktverfolgung bei Infektionen gelten als Schlüssel für die Öffnung von Clubs und Konzerthäusern. So durften zuletzt auch wieder 777 Zuschauer in das Ostseestadion zum Spiel von Hansa Rostock gegen den Halleschen FC.
Um mit mehr Schnelltests Öffnungen besser abzusichern und in eine Phase eines Lebens mit dem Virus einzutreten, sollen noch mehr solcher Modellprojekte getestet werden. Rheinland-Pfalz plant das zum Beispiel für die Außengastronomie. Auch in Tübingen läuft ein solcher Versuch.
Zentrale Bedingungen dabei seien "negative Testergebnisse als Zugangskriterium, IT-gestützte Prozesse zur Kontaktverfolgung und ggf. auch zum Testnachweis, räumliche Abgrenzbarkeit auf der kommunalen Ebene und eine enge Rückkopplung an den Öffentlichen Gesundheitsdienst", hieß es in der Bund-Länder-Vorlage für den Gipfel.
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