Mit einem Beitrag über Identitätspolitik löst SPD-Politiker Thierse eine hitzige Debatte aus. Nun erhält der ehemalige Bundestagspräsident Rückendeckung von Historiker Peter Brandt. In einem Gastbeitrag geht der Sohn des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt mit der SPD-Spitze hart ins Gericht.
Im Streit zwischen Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und der Parteispitze der Sozialdemokraten hat sich nun auch ein Sohn des ehemaligen SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt zu Wort gemeldet. In einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) wirft der Historiker Peter Brandt der Parteivorsitzenden Saskia Esken und ihrem Stellvertreter Kevin Kühnert im Umgang mit Thierse "Versagen" vor.
Hintergrund des Streits zwischen Thierse und der Parteiführung ist eine interne E-Mail, in der sich Esken und Kühnert "beschämt" über nicht namentlich genannte SPD-Vertreter zeigten, die ein "rückwärtsgewandtes Bild der SPD" zeichneten. Gemeint war offenbar Thierse, der zuvor "linke Identitätspolitik" und gendergerechte Sprache in einem "FAZ"-Beitrag beanstandet hatte. In seiner Streitschrift kritisierte Thierse den Anspruch von Minderheiten, aufgrund ihrer Identität selbst zu definieren, was für sie richtig und falsch sei, anstatt darüber offen zu diskutieren. Daraufhin war eine hitzige Debatte entbrannt.
In seinem Gastbeitrag, der gemeinsam mit dem Verleger Detlef Prinz entstand, nimmt Brandt Thierse in Schutz. Thierse habe sich um den Zusammenhalt des Gemeinwesens gesorgt und ein Angebot für einen Minimalkonsens innerhalb der Sozialdemokratie entwickelt, schreiben die beiden. In normalen Zeiten hätte eine "souveräne Parteiführung" daraufhin zu einer Diskussion eingeladen und den Protagonisten eine streitbare Plattform geboten.
Dies hätte der Auftakt zu einer Debatte werden können, bei der nicht die Ausgrenzung im Mittelpunkt stehe, sondern die Frage, was die Parteimitglieder eigentlich gegenüber denen verbinde, die diese Demokratie wirklich bedrohten, führen Brandt und Prinz weiter aus. Diese Diskussion nicht ins Leben gerufen zu haben, sei das "eigentliche Versagen der SPD-Spitze".
Dass Esken und Kühnert es so weit hätten kommen lassen, statt sich einfach zu entschuldigen, weil sie sich in ihrer "Scham" gegenüber Thierse eigentlich von einem erheblichen Teil der SPD-Mitglieder distanziert hätten, weise auf den Kern des überflüssigen Streits hin, urteilen Brandt und Prinz. Zugleich zeige es, dass der SPD der politische Kompass fehle. Die Parteiführung sei nicht in der Lage, einen Debatten-Konflikt politisch zu managen.
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