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Zweifel am Impfstoff von Astra-Zeneca - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Nach Hinweisen auf mögliche Nebenwirkungen sind die Corona-Impfungen mit dem Impfstoff Astra-Zeneca nun auch in Deutschland vorübergehend ausgesetzt. Die Bundesregierung folge damit einer aktuellen Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) in Langen, teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag mit. Nach bisher sieben Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung in Deutschland halte das PEI weitere Untersuchungen für notwendig.

Die endgültige Entscheidung, ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung auswirken, soll nach Aussagen des Bundesministers „möglicherweise noch in dieser Woche“ die Europäische Arzneimittelbehörde Ema treffen. Dänemark, Norwegen, Island sowie Bulgarien, Irland und die Niederlande hatten bis zum Wochenende die Verimpfung des Impfstoffs ausgesetzt. Andere Länder wie Österreich oder Italien setzten die Nutzung bestimmter Impfstoff-Chargen von Astra-Zeneca aus. Am Montagnachmittag gab zudem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekannt, dass sein Land Impfungen mit dem Impfstoff von Astra-Zeneca vorerst aussetzen werde.

Andrew Pollard, einer der Entwickler des Impfstoffs an der Universität Oxford, sagte, es gebe „sehr beruhigende Belege“, dass das Vakzin in Großbritannien – bislang sein Haupteinsatzgebiet in Europa – nicht zu einer Zunahme von Blutgerinnseln geführt habe. Der britisch-schwedische Impfstoffhersteller habe mehr als zehn Millionen Impfungen in Großbritannien analysiert. Immunologen und Mediziner hatten bis zum Wochenende das vorläufige Aussetzen der Impfung in einigen Ländern nach den ersten 30 thrombotischen Ereignissen als gesundheitspolitische Vorsichtsmaßnahme interpretiert und nicht als Sicherheitsproblem des Vakzins.

Die International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) hatte am Freitag die Fortsetzung der Impfungen mit dem Astra-Zeneca-Vakzin empfohlen. „Auf wissenschaftlicher Faktenbasis gibt es keinen stichhaltigen Grund, an der Sicherheit des Impfstoffes AZD1222 zu zweifeln“, sagte auch der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner von der Klinik Schwabing. Er bezog sich dabei auf die Aussagen des Pharmakovigilanz-Gremiums der europäischen Arzneibehörde Ema von Ende vergangener Woche und auf die bis dahin gültige Einschätzung des PEI in Langen.

Derzeit wird noch nach Ursachen für den zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfungen und der zum Teil lebensgefährlichen und tödlichen Gerinnungsstörung gesucht. Venöse Blutgerinnsel träten unabhängig von Covid-19 mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 1 pro 1000 Erwachsene auf, gab Wendtner zu bedenken, also mit einem Faktor 100 häufiger. In der Covid-19-Krise sei das Risiko zudem durch den Erreger Sars-CoV-2 erhöht, dessen Vermehrung in den Zellen der Gefäßinnenwand überdurchschnittlich oft zu Entzündungen und zu Gerinnseln führt: In einer aktuellen amerikanischen Studie kam es bei 533 von 3334 Covid-19-Patienten zu thromboembolischen Ereignissen.

In Deutschland gab es bis zum Wochenende knapp ein Dutzend Meldungen über thromboembolische Zwischenfälle im Kontext von etwa 1,2 Millionen Impfungen. Der an der Charité in Berlin tätige Immuninfektiologe Leif Erik Sander hielt es für „richtig und wichtig, dass allen Ereignissen sorgfältig nachgegangen wird“. Aber auch er sieht derzeit keine Anhaltspunkte oder mögliche Mechanismen, die zu vermehrten Blutgerinnungsstörungen nach der Impfung führen könnten. Weder in den klinischen noch in den präklinischen Studien waren Hinweise auf Komplikationen in diese Richtung festgestellt worden. Sander: „Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Thrombosen ist eher nicht zu erwarten.“ Das PEI will dennoch insbesondere einige in Hirnvenen aufgetretene Blutgerinnungsstörungen nach Gabe des Impfstoffs genauer prüfen. Diese Art der Thrombose tritt in der allgemeinen Bevölkerung circa zwei bis fünf mal pro einer Millionen Personen pro Jahr auf. Die sogenannten Sinusvenenthrombosen sind laut PEI-Mitteilung zusammen mit einer Thrombozytopenie aufgetreten, also einem Mangel an Blutplättchen, die zur Verklumpung des Blutes beitragen.

Das vorsorgliche Aussetzen sei nach Abstimmungen mit anderen europäischen Gesundheitsministern erfolgt, sagte Spahn. Derzeit werde geprüft, inwieweit Impflinge nach einer ersten Astra-Zeneca-Impfdosis mit einer zweiten Dosis eines anderen Impfstoffherstellers versorgt werden können.

Erstaunen in Frankreich

Frankreich setzt die Impfungen mit dem Impfstoff von Astra-Zeneca ebenfalls aus. Das hat der französische Präsident Emmanuel Macron am Montagnachmittag beim französisch-spanischen Gipfeltreffen in Montauban angekündigt. „In enger Absprache“ mit den deutschen Verantwortlichen habe er beschlossen, eine Überprüfung des Impfstoffs durch die europäische Arzneimittelaufsicht EMA abzuwarten und die Impfungen so lange auszusetzen. „Wir erwarten das Ergebnis am Dienstagnachmittag“, sagte Macron.

Bereits am Vormittag hatten Feuerwehrleute und Rettungsdienstmitarbeiter in Südfrankreich eine Impfkampagne unterbrochen, weil es zu Unwohlsein gekommen sein soll. In Frankreich rief die Entscheidung Erstaunen hervor. Gesundheitsminister Olivier Véran hatte in den vergangenen Tagen Bedenken gegen den Impfstoff zurückgewiesen und mit einer Impfpflicht für Pflegepersonal gedroht. Besonders unter den Pflegekräften gab es große Skepsis gegen den Astra-Zeneca-Impfstoff, nur ein Drittel hat sich bislang impfen lassen. Macron betonte, dass er eine „europäische Vorgehensweise“ unterstützen wolle.

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