Nach einem „Spiegel“-Bericht über fragwürdige Vorgänge rund um die massenhafte Beschaffung von Corona-Schutzmasken im vergangenen Jahr sieht sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schweren Vorwürfen ausgesetzt. „Diese Vorgänge im Bundesgesundheitsministerium sind ungeheuerlich und menschenverachtend“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dem „Spiegel“ am Samstag. „Der Minister muss sich dazu schnellstmöglich erklären, er kann hier nicht mit dem Finger auf andere zeigen.“ Das Ministerium bemühte sich, die Vorwürfe zu zerstreuen.
Auch die SPD-Parteivorsitzenden kritisierten Spahn und forderten Konsequenzen. „(CDU-Chef) Armin Laschet muss sich jetzt der Frage stellen, ob dieses skandalöse Vorgehen von Jens Spahn für eine Partei mit einem christlichen Etikett noch tragbar ist“, sagte Walter-Borjans der „Bild am Sonntag“. „Die Öffentlichkeit hat das Recht auf eine schnelle Antwort.“
Auch Saskia Esken kritisierte den CDU-Minister scharf: Spahn habe „beispiellose Verachtung“ für Teile der Gesellschaft gezeigt. „Mit dieser menschenunwürdigen Haltung hat man in der Politik nichts verloren“, sagte Esken dem „Tagesspiegel“.
Das Gesundheitsministerium wehrte sich gegen die Vorwürfe: „Entscheidungen über die Vernichtung von Warenbeständen hat die Bundesregierung nicht getroffen. Insofern trifft die entsprechende Berichterstattung nicht zu, uns ist auch die Grundlage dieser Berichterstattung nicht bekannt“, erklärte die Behörde am Samstag in Berlin.
Der „Spiegel“ hatte am Freitag berichtet, dass das Bundesgesundheitsministerium im Frühjahr 2020 für schätzungsweise eine Milliarde Euro unbrauchbare Masken gekauft habe. Diese seien – auch nach den damals geltenden Sonderregeln der EU – nicht frei verkehrsfähig gewesen und hätten daher vor ihrem Einsatz im Labor überprüft werden müssen.
Das Gesundheitsministerium habe zwischenzeitlich vorgehabt, solche Masken an Obdachlose, Behinderte oder Hartz-IV-Empfänger zu verteilen, berichtete das Magazin weiter. Das für die Maskensicherheit zuständige Arbeitsministerium habe dem seine Zustimmung verweigert.
Das Gesundheitsministerium erklärte, es habe strikt auf die Qualität der Masken geachtet. „Soweit das BMG bei seinen Testverfahren die Mangelhaftigkeit von Material festgestellt hat, hat es die Ware nicht abgenommen und nicht bezahlt.“ Bei der kostenlosen Verteilung von Masken an Einrichtungen der Obdachlosen- und Eingliederungshilfe habe jederzeit der bestmögliche Schutz der dort lebenden Bürgerinnen und Bürger und der Beschäftigten im Vordergrund gestanden. Für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe sei die Verteilung von Masken über die Apotheken erfolgt, diese hätten die Masken selbst beschafft.
„Ich bin entsetzt und erschüttert über die ursprünglichen Vorgänge im Bundesgesundheitsministerium“, sagte die behindertenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Angelika Glöckner, dem „Spiegel“. Spahn habe während der Pandemie viele Fehler gemacht, „aber anstatt das zuzugeben, versucht er nun, sie zu vertuschen“.
„Menschen mit Behinderungen sind keine Versuchskaninchen“
Mit dem Plan, die unbrauchbaren Masken an Menschen mit Behinderung, Hartz-4-Empfänger und Obdachlose abzugeben, habe Spahn „willentlich die Gesundheit dieser besonders verwundbaren Gruppen“ gefährdet. „Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang“, sagt Glöckner. „Menschen mit Behinderungen sind keine Versuchskaninchen, denen die Überbleibsel schlechter Entscheidungen hingeworfen werden dürfen.“ Das Vorhaben zeuge von Spahns Verständnis gegenüber Menschen mit Behinderungen.
Auch Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Gesundheitspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, zeigte sich empört. Sollten die Pläne stimmen, sei das „unverzeihlich“: „Es hieße, dass die Schwächsten in der Gesellschaft durch das Gesundheitsministerium dazu benutzt werden sollten, eigene Fehler bei der Maskenbeschaffung zu vertuschen.“
Spahn müsse dafür die Verantwortung übernehmen. Die Aktion offenbare nicht nur „eine zynische Haltung, sondern wäre auch mit dem Amt des Gesundheitsministers nicht vereinbar“. In den neuen Plänen zur Vernichtung der Masken sieht Klein-Schmeink eine mögliche Täuschung von Steuerzahlern.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, erklärte, es scheine „keine Rolle mehr zu spielen, dass dem Gesundheitsminister einmal mehr die Gesundheit von behinderten und sozial benachteiligten Menschen egal zu sein scheint, wenn sein eigenes Versagen dadurch vertuscht wird. Und wieder einmal scheint es unbedeutend zu sein, dass eine Milliardensumme verbrannt wird.“ Wieder gebe es keinen Rücktritt „oder irgendwelche Konsequenzen“.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte dem „Spiegel“, der Vorgang zeuge „von einem inakzeptablen Menschenbild“. Dass die Masken in der nationalen Notreserve jetzt „auf das Überschreiten ihres Ablaufdatums warten sollen, um still und heimlich entsorgt zu werden, macht die Sache nicht besser“.
Man habe strikt auf die Qualität geachtet, sagt das Ministerium
Das Bundesgesundheitsministerium wies am Samstag die Kritik zurück: „Entscheidungen über die Vernichtung von Warenbeständen hat die Bundesregierung nicht getroffen. Insofern trifft die entsprechende Berichterstattung nicht zu, uns ist auch die Grundlage dieser Berichterstattung nicht bekannt.“
Aus dem Ministerium hieß es, man habe strikt auf die Qualität der Masken geachtet. „Soweit das BMG bei seinen Testverfahren die Mangelhaftigkeit von Material festgestellt hat, hat es die Ware nicht abgenommen und nicht bezahlt.“
Bei der kostenlosen Verteilung von Masken an Einrichtungen der Obdachlosen- und Eingliederungshilfe habe jederzeit der bestmögliche Schutz der dort lebenden Bürgerinnen und Bürger und der Beschäftigten im Vordergrund gestanden. Für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe sei die Verteilung von Masken über die Apotheken erfolgt, diese hätten die Masken selbst beschafft.
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