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Afghanistan: Kabul, eine Stadt in Angst - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Sie berichtet vom immer größer werdenden Druck, der insbesondere auf Frauen und Menschenrechtsaktivisten laste. Die über das Land verteilten Frauenrechtsschützerinnen ihrer Organisation benötigten inzwischen selbst Schutz, sagt Akrami. Gerade seien sie dabei, sichere Unterkünfte in Kabul zu organisieren für die Aktivistinnen, die wegen Bedrohungen in die Hauptstadt flöhen. Aber das sei schwierig, es sei nicht genug Geld da. Zumal die Frauen ja nicht allein kämen. „Da hängen immer ganze Familien dran.“

Auch Mary Akrami selbst wird bedroht. Vor einem Jahr erhielt sie einen Brief im Namen der Taliban. Darin hieß es, sie solle besser die negative Propaganda gegen das „Islamische Emirat“ einstellen. „Wenn dir etwas passiert, bist du dafür verantwortlich.“ Daraufhin zog Akrami mit ihrer Organisation in ein neues Büro. Zur bitteren Realität im Kabul dieser Tage gehört, dass man nicht weiß, ob der Brief wirklich von den Taliban stammt. Akrami war Mitglied der Delegation, die 2019 in Doha erstmals mit Vertretern der Taliban sprach. Durch ihr lautstarkes Eintreten für Frauenrechte gehe sie nicht nur den Islamisten auf die Nerven, sagt die 45-Jährige, die schon 2001 an der Petersberger Konferenz in Bonn teilnahm und das erste Frauenhaus des Landes gründete. Auf allen Seiten gebe es Leute, die vom Krieg profitierten. Sie und andere Frauenrechtlerinnen würden als „Störfaktoren“ angesehen.

Was tun? Zu schweigen sei keine Lösung, sagt Akrami. Also stelle sie sich der Realität, dass Leute wie sie morgens nicht wissen, ob sie abends noch nach Hause kommen werden. Will sie doch das Land verlassen, wenn die Lage noch bedrohlicher wird? „Ein Visum könnte eine Lösung für das hässliche Szenario sein, aber...“, sagt sie und lässt den Satz unbeendet. Die Verabschiedung erfolgt wie üblich mit der Versicherung, dass man sich hoffentlich bald bei guter Gesundheit wiedersehen werde, und dem bedrückenden Gefühl, dass dies alles andere als ausgemacht ist.

Während viele in Kabul sich mit der Frage von Bleiben oder Gehen quälen, geben sich andere entschlossen. „Ich lebe in diesem Land. Ich verteidige unser Volk, ich kämpfe gegen die Taliban“, sagt Mahdi Rasikh. „Wenn ich sterbe, dann wird das in diesem Land sein.“ Der junge Parlamentsabgeordnete gehört zu denen, die versuchen, den Widerstand zu organisieren. Im Parlament forderte er kürzlich das Volk dazu auf, sich zu bewaffnen. Mahdi Rasikh ist es auch, der das Militärtraining für die jungen Frauen organisiert hat, das auf dem Dach seines Hauses im Stadtteil Dasht-e Barchi stattfindet.

Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass Rasikh der Volksgruppe der Hazara angehört. Die schiitische Minderheit hatte in den neunziger Jahren unter den Taliban besonders stark zu leiden. Und auch von anderen sunnitischen Terrorgruppen, etwa dem „Islamischen Staat“ (IS), werden sie ins Visier genommen. Sie gelten den sunnitischen Radikalen als Ungläubige. Einige der verheerendsten Terroranschläge der vergangenen Jahre in Kabul galten den Schiiten.

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