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Schleierfahndung wegen Testpflicht: „Regierung überfällt deutsche Urlauber“ - WELT

Horst Seehofer (CSU) wurde deutlich, als es um die Überwachung der Testpflicht für alle ungeimpften Reiserückkehrer ging: „Wer nach Deutschland einreist, muss damit rechnen, kontrolliert zu werden“, sagte der Bundesinnenminister der „Bild am Sonntag“. Seehofer kündigte damit eine Intensivierung der sogenannten Schleierfahndung durch die Bundespolizei an, bei der verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzgebiet stattfinden. Normalerweise wird dieses Instrument etwa gegen Auto- und Drogenschmuggler sowie gegen andere Straftäter eingesetzt.

Im Bundespolizeigesetz ist klar geregelt: Die Identität kann „im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten“ festgestellt werden. In den Polizeigesetzen der Bundesländer ist die Maßnahme zweckgebunden an die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.

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Reiserückkehrer

Bei Verstößen gegen die Corona-Einreiseverordnung handelt es sich nicht um Straftaten, sondern um Ordnungswidrigkeiten. Allerdings kann die Bundespolizei die Identität einer Person auch „zur Abwehr einer Gefahr“ feststellen. Dennoch stellt sich die Frage, ob verdachtsunabhängige Kontrollen gegen Urlauber und Reisende ein angemessenes Mittel sind, um Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen aufzuspüren.

Stephan Thomae, Vize-Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, sagt: „Die Bundesregierung überfällt wieder einmal in Wegelagerermanier die deutschen Urlauber mit einer neuen Einreiseverordnung.“ Fahrzeugkontrollen könnten lediglich dann durchgeführt werden, wenn konkrete Hinweise den Verdacht rechtfertigten, dass Einreisebestimmungen wie die Corona-Testpflicht missachtet werden. „Die Bundesregierung stiftet wieder einmal maximale Verwirrung, statt ihre Maßnahmen gründlich vorzubereiten.“

Ein deutscher Bundespolizist kontrolliert an der Grenze zu Österreich auf der Autobahn A93 den Impfpass einer einreisenden Person. Die Bundespolizei hat mit Kontrollen der verschärften Testpflicht für Reiserückkehrer begonnen. +++ dpa-Bildfunk +++
Geimpft, getestet, genesen? Bundespolizisten auf der A93 nahe der Grenze zu Österreich überprüfen Dokumente, ob auf Papier oder...
Quelle: picture alliance/dpa
Fahrer und Beifahrer eines aus Österreich kommenden Fahrzeugs zeigen einem deutschen Bundespolizisten an der Grenze zu Österreich auf der Autobahn A93 ihre digitalen Impfnachweise auf ihren Smartphones. Die Bundespolizei hat mit Kontrollen der verschärften Testpflicht für Reiserückkehrer begonnen. +++ dpa-Bildfunk +++
... digital
Quelle: picture alliance/dpa

Auch die Grünen üben Kritik an der Maßnahme der Schleierfahndung. Bereits im Herbst 2020 hieß es in einem Positionspapier der Bundestagsfraktion, dass die Einhaltung der Corona-Regeln selbstverständlich kontrolliert werden müsse. „Aber niemand darf die Bevölkerung unter Generalverdacht stellen und tiefe Grundrechtseinschränkungen, wie sie zum Beispiel die Schleierfahndung darstellt, damit rechtfertigen.“ Der Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner schrieb damals auf Twitter: „Überwachungsfantasien wie Schleierfahndung sind der falsche Ansatz.“

Zur Intensivierung der Maßnahme in diesem August sagt nun die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic: „Es kann für mich nicht sein, dass man Bürgerinnen und Bürger im 30-Kilometer-Grenzstreifen wahllos kontrolliert. Das erzeugt Unverständnis und Missmut und verspielt genau das, was wir bei der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen am dringendsten brauchen: Akzeptanz.“ Die Kontrollen müssten stichprobenartig im unmittelbaren Grenzbereich durchgeführt werden. Dort sei es für die Bürger nachvollziehbar, auf ein Testergebnis hin überprüft zu werden.

Bußgelder zwischen 100 und 3000 Euro

Der Vorsitzende der DPolG-Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, widerspricht. Im unmittelbaren Grenzbereich dürfe nur dann kontrolliert werden, wenn die Bundesregierung bei der Europäischen Union (EU) die Durchführung von Grenzkontrollen angezeigt habe. Dies sei nicht passiert. Daher bleibe der Bundespolizei nichts anderes übrig, als die Kontrollen im Rahmen der verstärkten Schleierfahndung bis zu einer Entfernung von 30 Kilometern von der Grenze durchzuführen.

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„Die Bundespolizei wird niemals willkürliche Kontrollen durchführen“, sagt Teggatz. Eine Verbindung zu grenzüberschreitenden Wegen müsse immer gegeben sein. „Die Kollegen sehen genau, ob jemand aus dem Urlaub zurückkehrt. Die Bundespolizei stürzt sich nicht wahllos auf die Bürger.“

Die Schleierfahndung war während der Corona-Pandemie bereits mehrfach intensiviert worden. Aus dem AfD-Fraktionsvorstand war im Oktober vergangenen Jahres aufgrund der Kontrollen von Corona-Verstößen gar eine „Kriminalisierung harmloser Bürger“ beklagt worden. Im vergangenen Jahr wurden steigende Infektionszahlen unter anderem auf Reiserückkehrer zurückgeführt.

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Nun drohen je nach Bundesland Bußgelder zwischen 100 und 3000 Euro, sollte bei der Einreise von Ungeimpften kein aktueller Negativtest vorgelegt werden. In besonders schweren Wiederholungsfällen kann sogar bis zu 25.000 Euro verlangt werden.

„Binnengrenzfahndung ist immer gerechtfertigt“

Die Koalitionsfraktionen verteidigen das Instrument der verdachtsunabhängigen Kontrollen. Wenn es eine generelle Anordnung gebe, dass Urlaubsrückkehrer bei Wiedereinreise einen negativen Corona-Test vorzuweisen haben, dann müsse dies auch überprüft werden, sagt Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei. „Ansonsten macht sich der Staat lächerlich und unglaubwürdig.“ Die Schleierfahndung sei ein geeignetes und praktikables Instrument, um die Kontrolle der Corona-Verordnung bei der Querung von Landgrenzen zu überprüfen.

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Vor der Rückreise nach Deutschland müssen viele Urlauber jetzt einen Corona-Test machen. Denn seit Mitternacht gilt eine neue Testpflicht für alle, außer Geimpfte oder Genesene. In einigen Ländern kann das teuer werden.

Quelle: WELT/ Fanny Juschten

„Solche verdachtsunabhängigen Kontrollen sind verhältnismäßig, da es um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und die Verhinderung einer vierten Welle mit allen Folgen für Wirtschaft, Schulen und Familien geht“, sagt CDU-Politiker Frei. Gleichwohl sollte der Personaleinsatz so gewählt werden, dass der Stichprobencharakter erhalten bleibe.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese argumentiert ähnlich: Zum Schutz der Kinder seien Tests bei ungeimpften Reiserückkehrern ein sinnvoller Beitrag, um die Pandemie einzudämmen. Wenn man dies auch bei Bahn- und Autoreisenden verlange, müsse dies zumindest stichprobenartig kontrolliert werden. „Dadurch animiert man die Menschen auch, sich wirklich testen zu lassen.“

Die DPolG-Bundespolizeigewerkschaft hält das Vorgehen der Bundesregierung für „goldrichtig“. Wenn man jetzt nicht beim Impfen und der Durchsetzung von Auflagen aktiv werde, drohe ein neuer Lockdown, sagt Bundes-Chef Teggatz. „Eine Binnengrenzfahndung ist immer gerechtfertigt, da ein Wegfall der Grenzkontrollen in Europa kein Wegfall der grenzüberschreitenden Kriminalität bedeutet.“

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Mit der verstärkten Überwachung entlang der Binnengrenzen wurden am vergangenen Wochenende laut Polizeigewerkschaft insgesamt rund 16.000 Stichprobenkontrollen durchgeführt. Durch die genannten Kontrollen seien rund 150 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz und rund 50 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz festgestellt worden. Rund 200 Fahndungstreffer hätten zur Vollstreckung von 25 Haftbefehlen geführt. „Bei einer normalen Kontrolldichte wäre vieles davon nicht aufgedeckt worden“, sagt Teggatz.

Nach Angaben der Bundespolizei mussten bei lediglich 0,4 Prozent der Kontrollen von Reiserückkehren die zuständigen Gesundheitsbehörden der Länder über fehlende Testnachweise informiert werden.

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