Die Stimmung in der CDU wird immer angespannter. Wenige Tag bevor CDU und CSU mit der FDP das erste Sondierungsgespräch zur Bildung einer Jamaika-Koalition führen wollen, schwindet der Rückhalt für diese Option und den Kanzlerkandidaten Armin Laschet in den eigenen Reihen. Nachdem am Donnerstag der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Gesundheitsminister Jens Spahn Zweifel am Zustandekommen eines Bündnisses aus Union, Grünen und FDP und an der politischen Zukunft des CDU-Vorsitzenden Armin Laschet geäußert hatte, kamen am Freitag weitere prominente (und auch weniger prominente) Stimmen hinzu.
Mit besonderer Wucht äußerte sich der nach langer Pause wieder in den Bundestag gewählte CDU-Politiker Friedrich Merz, der Laschet zunächst im Kampf um den Parteivorsitz unterlegen war, ihn im Wahlkampf aber unterstützt hatte. Merz stellte in einem Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe infrage, ob die Union überhaupt in die Nähe von Koalitionsverhandlungen kommen werde oder es bei „Vorsondierungen“ mit FDP und Grünen bleibe. „Wenn ich es richtig beurteile, geht es derzeit eher Richtung Ampel“, sagte Merz. Zwischen SPD, Grünen und FDP scheine es schon sehr intensive Gespräche zu geben. „Als Zweitplatzierter müssen wir im Augenblick unsere Ansprüche zurückstellen.“
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Chef der Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, äußerte sich entsprechend. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Ampel geben wird, ist nicht nur offenkundig, sondern ist sehr groß“, sagte er der ARD. Die SPD habe die Wahl gewonnen, das müsse die Union eingestehen. Für den Fall, dass sich SPD, Grüne und FDP nicht auf ein Ampel-Bündnis einigen könnten, hält Linnemann jedoch eine Jamaika-Koalition für möglich.
„Strategischer Fehler der Union“
Merz, der seit Langem ein angespanntes Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel hat, übte sehr grundsätzliche Kritik an seiner Partei. Der „größte strategische Fehler der Union“ in den letzten drei Jahren sei gemacht worden, als Merkel im Oktober 2018 verkündet hatte, dass sie nicht länger Parteivorsitzende, aber noch bis zur Wahl Kanzlerin bleiben werde. „Damit war klar, dass wir ohne einen Amtsbonus aus dem Kanzleramt heraus in die Bundestagswahl gehen.“ Es wäre nach der Auffassung von Merz besser gewesen, wenn „die ordnungsgemäße Übergabe von Partei und Kanzleramt frühzeitig vollzogen“ worden wäre.
Merz übte scharfe Kritik am Wahlkampf der CDU. Dieser sei „viel zu spät“ vorbereitet worden, „es fehlten die Überschriften, die Themen und die Medienstrategie.“ Zum Kanzlerkandidaten sagte Merz: „Wir hatten einen Kandidaten mit sehr niedrigen Zustimmungswerten in der Bevölkerung. Da wäre ein Wahlsieg schon ein kleines Wunder gewesen.“
Allerdings forderte Merz keine unmittelbaren personellen Konsequenzen. Auf die Frage, ob Laschet weiterhin seine Unterstützung habe, antwortete er: „Ich bin da sehr altmodisch: Wenn wir einen Vorsitzenden gewählt haben, dann unterstütze ich ihn, solange er eine Chance hat, seine Aufgaben auch zu erfüllen. Und diese Chance hat er immer noch.“ Wie lange das gelte, müsse abgewartet werden. „Wir sind jetzt in einer extrem empfindlichen und unsicheren Phase der deutschen Politik.“
Zuckerbrot und Peitsche von der CSU
Hart mit Laschet ins Gericht ging der Vorsitzende der sächsischen Landesgruppe im Bundestag, Carsten Körber. „Laschet lag wie Blei auf dem Wahlkampf“, sagte er im Deutschlandfunk.
Die CSU setzt derweil ihre Strategie aus Zuckerbrot und Peitsche fort: Einen Tag provoziert und kritisiert sie die Schwesterpartei und deren Vorsitzenden auf beinahe jede erdenkliche Art und Weise, den anderen gibt sie sich als höchst konstruktiver Part der Unionsgemeinde.
Am Freitagvormittag war wieder Zuckerbrotzeit. Die CSU sei bereit für konzentrierte und zügige Gespräche mit dem Ziel einer Jamaika-Koalition, sagte Generalsekretär Markus Blume nach einer Präsidiumssitzung in München. „Wir als CSU wollen alles dafür tun, dass die Möglichkeit, die besteht, auch genutzt wird.“ Es sollten nun nicht Nebentöne entscheidend sein, sondern es gelte „maximale Konzentration“ auf das Ziel zu richten, „auszuloten, ob es eine Möglichkeit gibt, Jamaika tatsächlich zu realisieren“.
Hatte CSU-Chef Markus Söder am Dienstag mit seiner Feststellung, Olaf Scholz habe die besten Chancen, Kanzler zu werden, die Bildung einer Jamaika-Koalition beinahe ins Reich fabelhafter Fantasien abgeschoben, lobte Blume nun das eventuelle Bündnis mit Grünen und FDP mit aller Kraft. Jamaika sei „sehr ausbalanciert“ zwischen den politischen Grundrichtungen, das Bündnis könne – anders als eine Ampelkoalition – „mehr einen als trennen“.
Weiter sagte Blume: „Jamaika hat eine Chance, und Jamaika hat auch Charme.“ Auf das Verhältnis zwischen Söder und Armin Laschet angesprochen, sagte der CSU-Generalsekretär: „Ich glaube, der Austausch ist da sehr gut.“
Laschet sei nicht mehr lange zu halten
Allerdings macht die CSU abseits der Mikrofone klar, dass sie ein Ende dieses Austausches bald erwartet. Laschet sei nicht mehr lange zu halten. Mittlerweile schätzt die bayerische Schwester die Stimmung einer Mehrheit von Politikern der CDU als so verheerend gegenüber Laschet ein, dass die Peitsche aus München gar nicht mehr so hart geschwungen werden müsse.
Die Stimmung, die schon seit dem Wahlabend schlecht gewesen sei, werde in der CDU mit jedem Tag noch schlechter, lautete die Einschätzung. Doch fehle noch der Mut, sich offen von Laschet zu trennen. Aber Mut sei in der CDU eben noch nie sehr verbreitet gewesen, wird hinzugefügt.
Laschet jedenfalls wird eine erfolgreiche Verhandlungsführung mit Grünen und FDP in der CSU nicht zugetraut. Ihm fehle die Erfahrung auf der Bundesebene. Jamaika sei, wenn es die Möglichkeit gebe, nicht so einfach hinzubekommen, wie eine Koalition mit der FDP in Nordrhein-Westfalen.
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