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Sachsen-Anhalt blockiert höheren Rundfunkbeitrag - Süddeutsche Zeitung

Magdeburg (dpa) - Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat die Anhebung des Rundfunkbeitrags in Deutschland gestoppt, um damit seine schwarz-rot-grüne Koalition zu retten.

Der CDU-Politiker verhinderte am Dienstag die entscheidende Abstimmung im Landtag, nachdem CDU, SPD und Grüne wochenlang vergeblich um ein gemeinsames Votum gerungen hatten. Damit ist die Beitragsanhebung blockiert. Die öffentlich-rechtlichen Sender kündigten wenige Stunden nach der Entscheidung an, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.

Wie die Staatskanzlei in Magdeburg mitteilte, nahm Haseloff den Gesetzentwurf zum Staatsvertrag vor der entscheidenden Landtagssitzung zurück. Damit erübrige sich die weitere Befassung im Parlament, hieß es. Faktisch bedeutet das eine Blockade der geplanten Beitragserhöhung - denn stimmen nicht alle Landesparlamente bis Jahresende zu, ist sie gekippt.

Die CDU hatte wiederholt deutlich gemacht, dass sie der geplanten Anhebung um 86 Cent auf 18,36 Euro auf keinen Fall zustimmen will. Da auch die AfD eine Erhöhung ablehnt, hätte die CDU den Schritt theoretisch gegen den Willen ihrer Koalitionspartner blockieren können. Eine gemeinsame Abstimmung seiner CDU mit der AfD wollte Haseloff aber auf jeden Fall vermeiden. SPD und Grünen hatten angekündigt, in eine solchen Fall keine Zukunft mehr für das seit 2016 regierende Kenia-Bündnis zu sehen. In Sachsen-Anhalt wird am 6. Juni 2021 ein neuer Landtag gewählt.

Haseloff verteidigte seinen Schritt nach einer Kabinettssitzung: Er habe nüchtern zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Vorhaben im Landtag keine Mehrheit finden werde, sagte der CDU-Politiker. Für ihn habe daraufhin die Stabilität des Landes durch eine "Koalition der Mitte" und mitten in der Corona-Pandemie absolute Priorität gehabt. "Deswegen ist die Entscheidung heute so getroffen worden und dazu stehe ich auch."

Damit scheint Haseloff seine zweite Baustelle im Koalitionsstreit zunächst gelöst zu haben: Die Grünen kritisierten das Agieren von Haseloffs CDU zwar, kündigten aber an, wegen der schwierigen Corona-Lage in der Regierung zu bleiben. "In dieser schweren Situation können wir das Land nicht einer in der Tendenz handlungsunfähigen CDU überlassen - und erst recht nicht einer rechtsextremen AfD", sagte Landes-Chef Sebastian Striegel.

Die SPD erkenne an, dass der Ministerpräsident eine gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD verhindern und die Koalition retten wollte, teilte Fraktionschefin Katja Pähle mit. "Mit der Aufgabe des Staatsvertrags zahlte er dafür jedoch einen erheblichen politischen Preis im Kreis der Regierungschefs der Länder." Die CDU im Landtag begrüßte Haseloffs Entscheidung hingegen als richtig und konsequent. "Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit zahlen sich aus", sagte der Medienpolitiker Markus Kurze.

Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob der Rundfunkbeitrag trotzdem angehoben wird und wie es mit der Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen grundsätzlich weitergeht. ZDF, Deutschlandradio und die ARD-Anstalten kündigten unabhängig voneinander an, nach Karlsruhe zu ziehen.

"Eine Verfassungsbeschwerde ist leider unausweichlich", hieß es vom ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow. "Ohne die ausreichende, unabhängig ermittelte Finanzierung wird das Programmangebot, das in allen Regionen Deutschlands verwurzelt ist, darunter leiden."

ZDF-Intendant Thomas Bellut sagte: "Mit dem heutigen Tag ist klar, dass es in Sachsen-Anhalt keine Zustimmung mehr geben kann. Damit bleibt leider keine andere Möglichkeit, als das Bundesverfassungsgericht anzurufen."

Vom Deutschlandradio hieß es, die bedarfsgerechte Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender ab 2021 sei nicht mehr gesichert. Intendant Stefan Raue betonte: "Schon jetzt müssen wir einen strikten Sparkurs verfolgen, um mit unseren Angeboten auch in der digitalen Welt sichtbar zu sein. Ein Ausbleiben der Erhöhung würde sich daher unweigerlich auf die Programmgestaltung auswirken."

Deutliche Kritik kam auch von Sachsens CDU-Chef und Ministerpräsident Michael Kretschmer. "Ich finde das unmöglich", kommentierte er die Entscheidung von Haseloff. Für Kritik und Veränderungen am öffentlich-rechtlichen Rundfunk müsse man sich in einer vernünftigen Debatte mit anderen Bundesländern Mehrheiten organisieren.

CDU-Bundeschefin Annegret Kramp-Karrenbauer zollte Haseloff Lob für seine Entscheidung, kritisierte aber gleichzeitig die ablehnende Haltung der sachsen-anhaltischen CDU-Fraktion: "Diese Position wurde und wird von mir und der Mehrheit in der CDU nicht geteilt", sagte sie dem Nachrichtenportal "t-online".

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt stellte sich hingegen hinter den Entschluss Haseloffs: Die Entscheidung, eine lang anhaltende Regierungskrise abzuwenden, sei nachvollziehbar, sagte Dobrindt in Berlin. Zugleich kritisierte er die Abläufe der vergangenen Wochen: "Wir hätten uns den Prozess durchaus deutlich anders gewünscht." Klar sei aber: "Zusammenarbeit mit der AfD kann und wird es nicht geben."

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sprach von einem "schwarzen Tag für die Mediengeschichte in Deutschland". Die SPD-Politikerin ist Chefin der Rundfunkkommission der Länder.

Die AfD wertete die Rücknahme des Gesetzentwurfs als ihren Erfolg. Es habe sich wiederholt gezeigt, "dass die AfD auch aus der Opposition heraus Wirkung entwickeln kann", sagte die Chefin der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, der Deutschen Presse-Agentur. Ohne die AfD wäre die Erhöhung des Beitrags "reibungslos und ohne Widerspruch durchgegangen".

© dpa-infocom, dpa:201208-99-612798/7

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