Rund ein Drittel der Abgeordneten der Bundestagsfraktion der Linken unterstützt offen Gruppierungen, die im Bund oder ihren Heimatbundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Dies trifft laut einer Auswertung von WELT AM SONNTAG auf mindestens 20 der 69 Parlamentarier zu. Sechs von ihnen bestätigten auf Anfrage ihre Mitgliedschaft in den fraglichen Organisationen, andere haben sich in der Vergangenheit öffentlich zu diesen bekannt, eine Anfrage aber unbeantwortet gelassen.
Mindestens 15 Bundestagsabgeordnete sind Mitglieder von Gruppen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu den „extremistischen Strukturen der Partei Die Linke“ zählt. Dazu gehören die Sozialistische Linke, die Antikapitalistische Linke, die Kommunistische Plattform und Marx21. Diese Zusammenschlüsse innerhalb der Partei arbeiten laut Einschätzung des BfV auf einen „grundsätzlichen Systemwechsel“ hin.
Der Sozialistischen Linken werden derzeit rund 1000 Mitglieder zugerechnet. Laut eigener Darstellung ist es Ziel der Gruppierung, das kapitalistische System zu überwinden. Dazu würden „möglichst breite Bündnisse im linksextremistischen Spektrum“ gebildet, heißt es im Jahresbericht des BfV.
Zuletzt geriet die Gruppierung Marx21 in die Schlagzeilen. Am Samstag wählten die Linken die hessische Landtagsabgeordnete Janine Wissler zur neuen Parteivorsitzenden. Wissler war zum Zeitpunkt der Bekanntmachung ihrer Kandidatur Mitglied bei Marx21. Laut Angaben des BfV kämpft die Gruppierung, der rund 1000 Mitglieder angehören, für die Errichtung einer „kommunistischen Gesellschaftsordnung“. Mit Blick auf ihre Kandidatur beendete Wissler ihr Engagement bei Marx21 und der Sozialistischen Linken. Das sei „üblich und richtig“, erklärte die Kandidatin. Inhaltlich distanzierte Wissler sich nicht.
Deutlich werden verfassungsfeindliche Tendenzen auch in den Reihen der Antikapitalistischen Linken, die sich selbst als „Brückenglied“ zwischen der Partei Die Linke und außerparlamentarischen linksradikalen Strömungen versteht. Man erwarte, „dass sich die gesamte Führung der Linken offensiv für Enteignung/Wiederaneignung und Sozialismus ausspricht“, heißt es auf der Internetseite der Vereinigung. Im Gründungsaufruf, den 2006 auch die spätere Parteichefin Sahra Wagenknecht unterzeichnete, beschworen die Mitglieder den Kampf gegen das „neoliberale Parteienkartell“.
BfV beobachtet drei Linken-Politiker
Viele Linke-Abgeordnete sind zudem Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BDA). Die VVN-BDA steht in Bayern und Baden-Württemberg unter Beobachtung, wie eine Abfrage dieser Zeitung ergab. Der Hamburger Verfassungsschutz teilte mit, die Gruppierung werde als „extremistisch beeinflusste“ Organisation eingestuft. Drei Bundestagsabgeordnete der Linken aus diesen drei Bundesländern bekennen sich zu VVN-BDA.
In Nordrhein-Westfalen gilt der Verein als linksextremistisch beeinflusste Vorfeldorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Auch in Niedersachsen erkennt der Verfassungsschutz Bezüge zu linksextremen Gruppierungen und der DKP. Eine Beobachtung findet in diesen beiden Ländern aber nicht statt.
Die VVN-BDA verlor im November 2019 ihre Gemeinnützigkeit, nachdem der bayerische Verfassungsschutz sie als „bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Vereinigung im Bereich des Antifaschismus“ bezeichnete. Unterstützer der VVN-BDA würden sich nicht nur gegen den Rechtsextremismus engagieren, sondern alle „nicht marxistischen Systeme“ als potenziell faschistisch ablehnen. Die bayerische Linke-Abgeordnete Simone Barrientos kritisiert, es sei nicht hinnehmbar, dass „ausgerechnet die Organisation, in der sich Überlebende des Naziterrors zusammenfanden“, als extremistisch eingestuft werde. Der Verein war im Jahr 1947 von Widerstandskämpfern und Verfolgten des Nationalsozialismus gegründet worden.
Die Beobachtung einzelner linker Parlamentarier hat das Bundesamt für Verfassungsschutz zurückgefahren. Nach Informationen von WELT AM SONNTAG stehen bundesweit nur noch drei Linke-Politiker unter Beobachtung – alle wegen ihrer Nähe zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die hierzulande als Terrororganisation gilt. Noch in der vorangegangenen Legislaturperiode standen 25 Linke-Bundestagsabgeordnete im Visier der Sicherheitsbehörde. Nachdem sich mehrere Politiker der Partei ab 2013 juristisch gegen ihre Beobachtung gewehrt hatten, gab das Bundesinnenministerium 2014 bekannt, Abgeordnete des Bundestags künftig „generell“ nicht mehr beobachten zu lassen.
Dies ist ein kleiner Teil einer großen Recherche, die es heute in WELT AM SONNTAG zu lesen gibt. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.
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