Der Tübinger Grünen-Bürgermeister Boris Palmer will sich vor einem Parteigericht für seine Äußerungen über den Ex-Fußballer Dennis Aogo rechtfertigen. „Ich möchte die vollkommen absurden und haltlosen Vorwürfe gegen mich endgültig aus der Welt schaffen“, sagte Palmer in einer Rede vor dem Grünen-Landesparteitag am Samstag, die WELT vorliegt. Deshalb rief er selbst den Parteitag auf, einem Antrag zuzustimmen, der ein Parteiausschlussverfahren forderte.
61 Delegierte stimmten schlussendlich für das Ausschlussverfahren, 44 dagegen, und acht enthielten sich. „Die Zeit ist reif dafür. Denn das Maß ist voll“, sagte Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand in Stuttgart. Der Tübinger OB sorge mit „inszenierten Tabubrüchen“ für eine Polarisierung der öffentlichen Debatte.
Palmer hatte zuvor auf Facebook mit Aussagen über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo für Empörung gesorgt. Im Zuge der Diskussion benutzte Palmer am Freitag einen rassistischen und obszönen Begriff aus einem Aogo zugeschriebenen Zitat und kommentierte, offensichtlich ironisch: „Der Aogo ist ein schlimmer Rassist.“ Zur Begründung verwies er auf einen nicht verifizierten Facebook-Kommentar, in dem ohne jeden Beleg behauptet worden war, Aogo habe für sich selbst das N-Wort benutzt.
Palmer warnt vor „entfesselter Identitätspolitik“
Er stehe zur offenen Gesellschaft, zur liberalen Demokratie und zu den grünen Grundwerten, sagte Palmer in seiner Rede. Entschuldigen wolle er sich nicht. „Das ist das, was die Cancel Culture mindestens verlangt. Abbitte und Unterwerfung.“ Daher könne und wolle er nichts widerrufen.
Palmer wandte sich direkt an seine Parteifreunde: „Ich bin heute mehr denn je überzeugt, dass diese Partei mich braucht.“ Die Grünen, so der Tübinger, bräuchten Menschen, „die sich dem Furor einer entfesselten Identitätspolitik entgegenstellen, so, wie es zuletzt 90 Grüne mit dem Aufruf für ökologische und soziale Veränderungen ohne identitären Fundamentalismus getan haben“.
Bei seiner Verwendung rassistischen Vokabulars habe es sich um Satire gehandelt. „Man kann Satire kaum noch weiter treiben, als ich es getan habe“, sagte Palmer. Kritik übte er an den Stimmen, die ihn aus der Partei drängen wollten: „Der Antrag, der heute zur Abstimmung steht, verfolgt im Kern kein anderes Ziel, als eine abweichende Meinung zum Verstummen zu bringen.“ Wer sich den Vorgaben der „Generation beleidigt“ und der „selbstgerechten Lifestylelinken“ nicht beuge, werde gemaßregelt und ausgegrenzt.
Nicht der erste Krach um Palmer
Die Landespartei hatte Palmer schon im Mai 2020 den Austritt nahegelegt und ihm ein Ausschlussverfahren angedroht. Schon damals hatte Palmer mehrfach mit provokativen Äußerungen für Empörung gesorgt, unter anderem mit einem Satz zum Umgang mit Corona-Patienten. „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären“, hatte er damals in einem Interview gesagt.
Am Freitag hatte Palmer unter der Überschrift „@Cancel Culture“ zunächst bedauert, dass der frühere Nationalspieler Aogo nach einem verbalen Fehltritt vorerst nicht mehr als Experte beim Fernsehsender Sky auftreten wird. Zuvor hatte Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann in einer Kurznachricht gefragt, ob Dennis Aogo wohl ein „Quoten-Schwarzer“ sei, und war daraufhin bei Hertha BSC rausgeflogen. Palmer schrieb dazu: „Lehmann weg. Aogo weg. Ist die Welt jetzt besser? Eine private Nachricht und eine unbedachte Formulierung, schon verschwinden zwei Sportler von der Bildfläche.“
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