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Klimaschutz: Mieter müssen sich schon 2021 auf Mehrkosten einstellen - WELT

Die Energie- und Klimapolitiker der Bundestagsfraktionen von Union und SPD waren am vergangenen Wochenende richtig ins Schwitzen geraten – und das lag nur zum Teil am Wetter. Sie verhandelten das letzte große Vorhaben, das sich die große Koalition vor Ende dieser Legislaturperiode vorgenommen hatte: ein Maßnahmenpaket, mit dem die ehrgeizigen Ziele es nachgeschärften schwarz-roten Klimaschutzgesetzes erreicht werden sollen.

Die gute Nachricht: Trotz deutlicher Differenzen konnten sich Union und SPD in der Spätphase ihrer stark belasteten Regierungspartnerschaft auf eine Reihe konkreter Klimaschutzmaßnahmen einigen – was nicht selbstverständlich war.

Die schlechten Nachrichten: Das Paket ist allenfalls ein Päckchen. Über eine Handvoll Eckpunkte kam die Koalition nicht hinaus. Und: Die Mieter in Deutschland können sich schon mal darauf einstellen, dass sie im Zuge der Neuregelungen künftig bereits in diesem Jahr mehr fürs Heizen bezahlen müssen.

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„Wir haben alles, was es an Gemeinsamkeiten in der Koalition gab, rausgequetscht, um zu einer Einigung zu kommen“, sagte Matthias Miersch, Vizevorsitzender der SPD-Fraktion und Verhandlungsführer der Sozialdemokraten.

Das reichte aus, um sich unter anderem auf einen forcierten Ausbau von Windrädern und die Gewinnung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu verständigen sowie auf eine finanzielle Entlastung von Unternehmen vor dem Hintergrund höherer Klimaschutzkosten. Es reichte nicht, auch die Mieter zu entlasten. Das war mit der Union nicht zu machen. Und damit befindet sich die Stimmung der großen Koalition auf einem neuen Tiefpunkt.

„CDU und CSU waren Interessen der Wirtschaft wichtiger als die der Mieter“

Denn das Bundeskabinett hatte sich im Mai darauf verständigt, dass die Zusatzkosten, die durch den CO2-Preis auf Öl und Gas beim Heizen entstehen, jeweils zur Hälfte von Vermietern und Mietern getragen werden. Die SPD hatte argumentiert, Mieter hätten keinen Einfluss darauf, welche Heizanlage sie nutzten, könnten also für den CO2-Ausstoß beim Wärmen der Wohnung nicht allein verantwortlich gemacht werden.

Die Unionsminister ließen die 50:50-Regelung bei der Kostenübernahme passieren, die Unionsfraktion im Bundestag kassierte sie jedoch wieder ein. „Eine Teilung der CO2-Mehrkosten zwischen Mieter und Vermieter wäre kontraproduktiv, da mit dem CO2-Preis eine Verhaltenslenkung erzielt werden soll. Es soll sich also für den Verbraucher lohnen, wenn er weniger CO2 verbraucht“, sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU).

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Man könne schlecht den Vermieter für höhere Kosten heranziehen, wenn Mieter zum Beispiel „zum Fenster hinaus heizen“ würden, heißt es in der Unionsfraktion. Es liege in deren Händen, dosiert und damit klimaschonend zu heizen. Die Union habe eine bereits getroffene Einigung aufgekündigt, sogar die eigenen Ministerien übergangen, schäumt jetzt die SPD. „CDU und CSU waren die Interessen der Wirtschaft wichtiger als die der Mieter“, stellte Miersch fest.

Der CO2-Preis auf Öl und Gas gilt seit 1. Januar dieses Jahres. Die Absprachen hatten ursprünglich vorgesehen, die neue Kostenaufteilung spätestens in dieser Woche gesetzlich zu verankern. Dafür sei es nun zu spät, hieß es am Dienstag aus der SPD-Fraktion. Gemäß der geltenden Regelung können Vermieter die Zusatzkosten für den CO2-Preis von derzeit 25 Euro pro Tonne komplett auf die Mieter abwälzen. Dabei bleibt es nun.

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Vertreter kommunaler und kirchlicher Wohnungsunternehmen sowie Genossenschaften schlagen prompt Alarm und warnen vor einer massiven Kostenspirale. Der Wohnungswirtschaftsverband GdW fürchtet aufgrund der verschärften Klimaziele zudem steigende Baupreise und europaweiten Handwerkermangel – mit negativen Folgen für Mieter. Aber die Mehrkosten beim Heizen dürften sich unter den aktuellen Bedingungen im Rahmen halten. Vorerst zumindest.

Laut Schätzungen bedeutet eine Umlage des CO2-Preises auf die Mieter bei einer 75-Quadratmeter-Wohnung und durchschnittlichem Energieverbrauch für die entsprechende Wohnfläche Mehrkosten von etwa 80 bis 100 Euro pro Jahr – abhängig vom Heizverhalten. Allerdings steigt der CO2-Preis nach Beschluss der Bundesregierung in den kommenden Jahren an und liegt 2025 bei 55 Euro. Dann kämen auf einen Haushalt mit oben genannter Fläche schätzungsweise 150 bis 200 Euro höhere Heizkosten zu. Wenn eine neue Bundesregierung nicht nachsteuert.

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Aber das wird sie – die Frage ist, ob sie es im Fall der Mieter tut. Union und SPD haben sich bei der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen nur auf einzelne Punkte geeinigt, die ergänzt werden müssen, will man die im Klimaschutzgesetz gesetzten Ziele auch tatsächlich erreichen.

CDU und CSU hätten gerne in dieser Legislaturperiode so viele konkrete Vereinbarungen wie möglich getroffen, die SPD war da zurückhaltender. Sie will den Maßnahmenplan einem „Wettbewerb der Ideen“ überlassen, sprich im Wahlkampf nutzen, um sich gerade gegenüber den Grünen auch als Klima-Partei profilieren zu können.

Ein umfassendes Konzept fehlt

Das überarbeitete Klimaschutzgesetz soll am Donnerstag verabschiedet werden. Es ist der vorletzte Sitzungstag des Bundestags in dieser Legislaturperiode und damit in der Zeit der großen Koalition, von einer geplanten Sondersitzung Anfang September abgesehen. Union und SPD standen also in den vergangenen Tagen unter enormem Zeitdruck, beim Klimaschutz eine Einigung zu erreichen. Auf das Gesetz selbst hatte sich die Koalition überraschend schnell verständigen können, nachdem das Bundesverfassungsgericht jüngst Handlungsbedarf angemahnt hatte.

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Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf Union und SPD vor, höhere Klimaziele zu beschließen, „ohne die dafür notwendigen und ausreichenden Maßnahmen mitzuliefern“. Klimaschutz falle nicht vom Himmel.

Quelle: Bundestag

Das Gesetz sieht vor, dass Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral wird, also fünf Jahre früher als geplant nur noch so viele Treibhausgase ausstößt, wie wieder gebunden werden können. Bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken, für 2040 wird eine Zielmarke von 88 Prozent weniger Treibhausgasen festgelegt. Was bislang nicht festgelegt war – und das ist eine entscheidende Schwäche der jüngsten klimapolitischen Entscheidungen – ist der Weg, wie man die Vorgaben erfüllen will.

Dazu gehört ein sogenanntes Acht-Milliarden-Programm, in dem die Ministerien für Verkehr, Wirtschaft, Landwirtschaft und Bauen (Inneres) Projekte zur CO2-Einsparung vorschlagen. Es soll an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden. Und dazu gehören die jetzt von Union und SPD beschlossenen Eckpunkte. Ein Klimaschutz-Konzept ist all das noch lange nicht – allenfalls ein Anfang.

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Immerhin soll es nach dem Beschluss der Koalition nun einfacher werden, Strom aus Windkraft zu gewinnen. Und zwar ohne ausschließlich auf den Bau neuer Windräder zu setzen. Denn das stößt in der Bevölkerung zunehmend auf Widerstand. Union und SPD setzen daher darauf, bestehende Anlagen durch neuere, leistungsfähigere zu ersetzen – sogenanntes Repowering.

Dafür werden Auflagen, die den Ausbau bremsen, gelockert. Für eine Genehmigung soll künftig nur noch die Frage entscheidend sein, ob mit dem Ersetzen der Anlage eine Verbesserung für die Umwelt einhergeht. Ist das der Fall, wird genehmigt. Bislang scheitert der Ausbau der Windenergie häufig an bürokratischen Hürden.

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Der Ausbau der Solarenergie wird ebenfalls forciert. Kommunen sollen sich künftig finanziell daran beteiligen können, wenn Betreiber auf Freiflächen Solaranlagen installieren. Diese Beteiligung soll wie bei der Windenergie an Land bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde betragen. Die Ausschreibungsmengen werden bei Wind an Land um 1,1 Gigawatt auf vier Gigawatt und bei der Fotovoltaik um 4,1 Gigawatt auf sechs Gigawatt angehoben.

Neu ist, dass Unternehmen, die sauberen Wasserstoff als Energieträger nutzen, von der EEG-Umlage, dem Aufschlag auf den Strompreis, befreit werden. Damit endet die Liste der Punkte, auf die sich die Koalition einigen konnte.

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Verbraucherschützer, Naturschutzverbände und die Opposition kritisierten die Koalitionspläne prompt als halbherzig und sozial unausgewogen. Und tatsächlich sind sie lückenhaft, es fehlt ein umfassendes Konzept.

Bislang gibt es noch nicht einmal genaue Berechnungen dazu, wie viel sauber erzeugter Strom nötig ist, um Öl und Gas zu ersetzen – in welchem Ausmaß erneuerbare Energien also ausgebaut werden müssen. Union und SPD haben auf dem Weg zur Energiewende gerade mal angefangen, die Richtung zu ändern.

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