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Tag der Industrie: Die großen Versprechen der Kanzlerkandidaten - WELT

Bei der Reihenfolge der Auftritte gebe es nichts hineinzugeheimnissen, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Die Reihenfolge habe sich schlicht daraus ergeben, wann welcher Kanzlerkandidat Zeit hatte.

So war es also Zufall, dass Unions-Kandidat Armin Laschet den Anfang machte, ihm folgten SPD-Bewerber Olaf Scholz und Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock. Wäre es rein nach der Beliebtheit bei den Unternehmern gegangen, hätte sich an der Reihenfolge wahrscheinlich nichts geändert.

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Es war auffällig, mit welchem Mitteln Baerbock und Scholz beim diesjährigen Tag der deutschen Industrie versuchten, doch noch die Gunst der versammelten Wirtschaftselite für sich zu gewinnen. Beide rückten vor allem eine Person in den Mittelpunkt: sich selbst. Nach dem Motto: Macht euch keine Sorgen um meine Partei oder mögliche Koalitionspartner, euer Ansprechpartner bei der anstehenden Transformation des Landes bin alleine ich. Vertraut mir.

Baerbock probt den Schulterschluss

Baerbock wies in ihrer Rede explizit auf die „Richtlinienkompetenz“ einer Kanzlerin hin, die werde sie bei Zukunftsfragen wie Klimaneutralität, künstliche Intelligenz und Digitalisierung nutzen. Jetzt brauche es schließlich Führungsstärke – „politischen Leadership“, wie die Grünen-Spitzenkandidatin sagte.

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Baerbock probte sogar den direkten Schulterschluss: „Wir müssen die Kräfte bündeln zwischen Industrie und Politik“, sagte sie. Nur miteinander, nicht gegeneinander könne der Wandel gelingen. Die Wirtschaft bekomme beim Kampf gegen den Klimawandel „klare Kriterien und Vorgaben“, mit denen sie dann aber auch arbeiten könne. Mit ihr als Kanzlerin übernehme der Staat beispielsweise Zusatzkosten für klimaschonendere Produktionsweisen, bis sich diese rechneten.

Baerbock war nicht zum ersten Mal Gast auf dem jährlichen Klassentreffen der deutschen Wirtschaft. Ihre Distanzierung von der eigenen Partei fiel dieses Mal besonders auf und dürfte kaum zufällig gewesen sein, hatte der Gastgeber BDI das Wahlprogramm der Grünen doch jüngst als „Tribut an die Basis“ bezeichnet, das ein „ausgeprägt dirigistisches Staatsverständnis“ offenbare.

Konflikt zwischen Energiewende und Artenschutz

Ein Hang zur Staatsgläubigkeit wird auch weiten Teilen der Sozialdemokraten gerne vorgeworfen. Auch SPD-Kanzlerkandidat Scholz präsentierte sich vor den Unternehmern in der Berliner Verti Music Hall und an den heimischen Bildschirmen als Regierungs-Ich-AG. Damit Deutschland im 21. Jahrhundert ein großes und stolzes Industrieland bleiben könne, liege vor allen „ein Umbruch von historischem Ausmaß“, sagte Scholz und machte dann eine Ansage, die sich alle potenziellen Wirtschafts-, Umwelt- und Verkehrsminister in einem Kabinett unter seiner Führung schon einmal merken können: „Diese Transformation werde ich als Bundeskanzler nicht moderieren, sondern mit höchster Priorität vorantreiben. Das wird Chefsache und direkt aus dem Bundeskanzleramt gesteuert.“

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Es gehe jetzt ums Machen, ums Hinbekommen. Verschleppt worden sei in den vergangenen Jahren genug, sagte er, als habe er nicht schon einige Jahre Regierungsmitverantwortung hinter sich. Planungen und Genehmigungen müssten beschleunigt werden. Dafür werde er bereits in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit sorgen, versprach Scholz.

Dazu gehörten Erleichterungen im Baurecht, im Immissionsschutzrecht und im Raumordnungsrecht. „Dabei werden wir auch den andauernden Konflikt zwischen Energiewende und Artenschutz lösen“, sagte Scholz. Solche Worte hören Unternehmer gerne: Die überbordende Bürokratie gehört aus ihrer Sicht seit Jahren zu den großen Ärgernissen am Standort Deutschland.

Scholz wirft Altmaier „Stromlüge“ vor

Auch auf einen anderen, von der Industrie immer wieder geäußerten Kritikpunkt ging Scholz ein: den hohen Strompreis. Er werde direkt in den ersten 100 Tagen eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auf den Weg bringen. Dazu gehört die Abschaffung der EEG-Umlage ab dem Jahr 2025. „Mein Ziel ist ein Industriestrompreis von vier Cent“, sagte er. Damit würde Deutschland schlagartig zu einem der günstigsten Standorte in Europa. Derzeit kostet eine Kilowattstunde je nach Verbrauch und Branche im Durchschnitt noch eher zwölf Cent.

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Warum Scholz alle Entscheidungen an sich reißen will, machte er dann noch mit einer Breitseite gegen die Union und vor allem Kabinettskollegen Peter Altmaier (CDU) deutlich. Bis heute gehe dessen Wirtschaftsministerium davon aus, dass der Stromverbrauch bis 2030 konstant bleibe. Der Strombedarf werde aber massiv steigen, sagte Scholz mit Blick etwa auf mehr Elektroautos, Wärmepumpen und industrielle Prozesse. Diese „Stromlüge“ habe Folgen. Die Planungen stimmten weder für den Ausbau der Stromerzeugung noch für die Stromtrassen.

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Altmaier hatte vor Kurzem eingeräumt, dass sein Ressort bisher unterschätzt habe, wie stark der Strombedarf in Deutschland im Zuge der Energiewende steigen dürfte. Sein Haus werde neue Berechnungen vorlegen. Scholz hat offenbar schon gerechnet: Deutschland brauche bis 2030 ungefähr 100 Terawattstunden Strom zusätzlich, sagte er. „Um das zu übersetzen: Unser Strombedarf bis 2030 steigt Jahr für Jahr jeweils um den gesamten jährlichen Stromverbrauch einer Millionenstadt wie Hamburg.“

Laschet warnt vor „Methode Corona“

Und was sagte Laschet? Er bekräftigte seinen Wahlkampfslogan des „Modernisierungsjahrzehnts“. Deutschland müsse schneller werden bei Digitalisierung und Infrastruktur. Firmen bräuchten mehr Freiräume, um vor allem in den Klimaschutz investieren zu können.

Was verstehen Sie unter „Modernisierungsjahrzehnt“, Herr Laschet?

Der Tag der Industrie war im Superwahljahr für viele Politiker ein willkommener Anlass, um auch hier um die Gunst der Wähler zu buhlen. Unsere Reporterin Lena Mosel traf dort auf den CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet.

Quelle: WELT / Lena Mosel

Die „Methode Corona“, dass auf Probleme mit immer mehr staatlichen Regulierung und staatlichen Hilfen reagiert werden, sei nicht die richtige. Nun müssten staatliche Vorgaben wieder abgebaut werden. „Wir müssen zur Normalität zurückkehren und nicht vorsichtshalber erst einmal alles lassen, weil doch noch etwas passieren kann“, sagte er.

Und er sagte noch etwas, wovon er genau wusste, dass er und seine CDU sich damit von den Grünen und der SPD abgrenzen können. Laschet warnte davor, die Steuern zu erhöhen, dies bremse den wirtschaftlichen Aufschwung nur. Sein Zusatz, dass es angesichts der Haushaltslage auch keinen Raum für Steuersenkungen gebe, ging da schon fast unter.

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