Trotz der Erfahrungen mit der Pandemie, die das Land in eine schwere Krise gestürzt hat, ist die Bundesrepublik nach wie vor die Staat gewordene Verneinung des Ernstfalls. Man ist nicht bereit, mit dem Schlimmsten zu rechnen oder Wege zu erkunden, wie kommendes Übel zu verhindern sei.
Das jüngste Beispiel steckt in der Versicherung verschiedener Minister, aber auch Oppositionspolitiker, es werde im Herbst zwar womöglich eine vierte Welle der Corona-Pandemie geben, dieses Mal aber werde es auf gar keinen Fall zu einem erzwungenen Stillstand der Wirtschaft und Gesellschaft kommen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach so und auch Christian Lindner von der FDP. Lindner verwies auf das verfassungsmäßige Gebot der Verhältnismäßigkeit: Wenn alle Menschen ein Impfangebot erhielten, sei der Ausnahmezustand nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar. Das ist zwar richtig, doch mehr als diese Worte gibt es nicht.
Wenn aber ein Lockdown ausgeschlossen wird, was plant die Bundesregierung heute, um ihn morgen zu verhindern? Die Antwort darauf ist schlicht und erschreckend eindimensional. Sie lauten: Impfen, Impfen, Impfen. Darüber hinaus wird man keine Auskunft erhalten, zieht man die üblichen Wortmontagen ab, die so abgegriffen sind wie die Fahrstuhlknöpfe im KaDeWe.
Die Tatsache wäre zu verschmerzen, wenn die Impfquoten überzeugend hoch wäre. Doch man mache sich nichts vor: Bis in den Herbst wird die Herdenimmunität nicht erreicht werden. Was sind also die Pläne, um die Zahl der Impfung zu verdoppeln? Mit ein paar Bussen, die an die Brennpunkte der Städte tuckern – nebenher: Sie sind viel zu spät losgeschickt worden – wird es nicht getan sein.
Und was ist mit den Schulen? Selbst der größte Einfaltspinsel hat in der Pandemie begriffen: Auch der beste Laptop im sichersten VPN-Tunnel ersetzt nicht den Präsenzunterricht. Auf welche Weise haben sich also die Behörden Gedanken gemacht, wie der Unterricht im Klassenraum garantiert werden kann? Man könnte drei Wochen durch das Berliner Regierungsviertel streifen, eine befriedigende Lösung wird man nicht finden.
Im zweiten Jahr der Pandemie erinnert die Bundesregierung an den jungen Iwan Chlestakow aus Gogols Komödie „Der Revisor“. Chlestakow gähnt und sagt: „Ich fühle es, ich werde mich mit etwas Erhabenem beschäftigen müssen.“ Im Theater mag man darüber lachen. Im richtigen Leben darf man von seiner Regierung mehr erwarten.
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