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Wahlkampf: Unternehmer drängen auf politischen Neuanfang – und sind enttäuscht über die drei Kanzlerkandidaten - Handelsblatt

Berlin Als Armin Laschet am Freitag sein „Zukunftsteam“ vorstellte, bemühte er sich noch um Sympathiepunkte bei Unternehmern: „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts“, zitierte der CDU-Kanzlerkandidat den früheren Kanzler Ludwig Erhard. Schon zuvor hatte er bekräftigt, er wolle Kanzler werden „in Kontinuität zu Angela Merkel und dem, was sie geleistet hat“.
Doch nach 16 Jahren Merkel-Regierung – davon zwölf in einer Großen Koalition – gibt es in der Wirtschaft den Wunsch nach Veränderung. In einer Civey-Umfrage für das Handelsblatt unter rund 750 Unternehmern gaben nur knapp 21 Prozent an, dass sie sich für die Zeit nach der Wahl politische Kontinuität erhoffen. Dagegen sehnen sich gut 55 Prozent nach einem politischen Neuanfang.

Bei der Frage, welcher der drei Kanzlerkandidaten am ehesten für Aufbruch oder Neuanfang steht, landet der CDU-Mann mit gut zwölf Prozent nur auf Platz zwei. Die größten Veränderungen trauen die Unternehmer offenbar Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock zu, die aus Sicht von knapp 21 Prozent der Befragten am ehesten einen Aufbruch verkörpert. Von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der seit vier Jahren Merkels Vizekanzler ist, erwarten nur knapp neun Prozent der Unternehmer einen politischen Neuanfang. 

Allerdings: Für gut 58 Prozent der Befragten geht von keinem der drei Kanzlerkandidaten ein echtes Aufbruchssignal aus. Punkten kann Laschet bei der Frage, wem die Unternehmer am ehesten zutrauen, die Coronakrise zu meistern. Hier liegt der CDU-Kandidat mit 20,3 Prozent vor Scholz (15,5 Prozent) und Baerbock (10,4 Prozent). 

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Das schlechte Bild, das Laschet in der Wirtschaft offenbar erzeugt, passt zum negativen Ansehen des Union-Manns in der Gesamtbevölkerung: Im Ansehen aller Bürger machen dagegen vor allem die Sozialdemokraten weiter Punkte gut. In einer Insa-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ kommt die SPD auf 25 Prozent, ein Prozentpunkt mehr als zuletzt. Die Union hingegen verliert einen Punkt und rutscht auf 20 Prozent – ein historisch niedriger Wert, den in den letzten Tagen auch andere Institute ermittelt hatten. Die Grünen verlieren einen Punkt und kommen auf 16 Prozent, die FDP auf 13, die AfD auf zwölf und die Linke auf sieben Prozent. 

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Zudem würden rund 56 Prozent der Deutschen die CDU/CSU mittlerweile gern in die Opposition schicken, ergab eine Civey-Umfrage für die „Augsburger Allgemeine“. Dass sie weiterregiert, möchten nur 35 Prozent. 

Söder nennt Umfragerückstand der Union „sehr ernst und alarmierend“ 

In der Union wächst deshalb die Nervosität. „Wir müssen jetzt noch deutlicher machen, dass die CDU das Modell NRW, wo sie gemeinsam mit der FDP erfolgreich Entfesselung, Aufbruch und Erneuerung durchgesetzt hat, auch auf den Bund übertragen wird“, sagte der Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Carsten Linnemann (CDU), dem Handelsblatt.

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„Die Lage ist in der Tat sehr ernst und alarmierend“ – und die Zeit werde knapp, warnte CSU-Chef Markus Söder, der sich im Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union gegenüber Laschet geschlagen geben musste. Aber auch in den letzten zehn Minuten eines Fußballspiels sei noch alles drin. „Man kann da noch alles gewinnen. Man kann aber auch verlieren“, mahnte der bayrische Ministerpräsident. 
„Es geht tatsächlich um viel, vielleicht sogar um alles für die Union“, mahnte Söder. Wenn CDU und CSU in der Wählergunst nicht zulegten, werde es eine „ganz linke“ Regierung geben oder eine „verdünnte Links-Koalition“ wie die Ampel. Der CSU-Chef wies zugleich die Vorstellung zurück, die Union könnte unter einem Kanzler Scholz mitregieren: „Einen Juniorpartner Union kann sich keiner vorstellen.“

FDP-Vize Wolfgang Kubicki offenbar schon: Ihm sei es „ziemlich egal, mit wem die Freien Demokraten nach der Wahl ihre zentralen programmatischen Forderungen umsetzen“, sagte er dem Handelsblatt. Um den Anschluss an die Weltspitze nicht zu verlieren, brauche das Land dringend einen Modernisierungsschub im Bereich der Digitalisierung und der Verkehrsinfrastruktur sowie eine Absenkung des Steuerniveaus. Und „in einer Deutschland-Koalition wäre dies zum aktuellen Zeitpunkt eher wahrscheinlich als mit einer Ampel“, betonte Kubicki. 

Auch die Grünen sehen die Variante mit Sorge: Spitzenkandidatin Baerbock sagte der „Neuen Westfälischen“,  eine SPD-geführte Regierung mit Union und FDP „würde einen völligen Stillstand für unser Land bedeuten“. SPD-Kanzlerkandidat Scholz betonte am Wochenende allerdings eindeutig seine Sympathie für ein Bündnis mit den Grünen. „Wir sind unterschiedliche Parteien, wir haben unterschiedliche Zielsetzungen, aber wir haben viele Schnittmengen“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

SPD-Kanzlerkandidat Scholz will gerne mit den Grünen regieren

Er wolle gerne mit den Grünen regieren. Allerdings hätte ein solches Zweierbündnis nach den Umfragen keine Mehrheit und wäre auf einen dritten Partner angewiesen. Eine Koalition mit der Linkspartei schloss Scholz zwar nicht explizit aus, legte die Hürde aber hoch. Derzeit erfülle die Linke Mindestanforderungen für ein Regierungsbündnis nicht. Dazu gehöre ein klares Bekenntnis zur Nato, zu solidem Haushalten und zur transatlantischen Partnerschaft.   

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Für die Union wird die Zeit knapper, um noch um Platz eins zu kämpfen. Der CSU-Parteitag am nächsten Wochenende soll CDU-Kandidat Laschet noch einmal ein großes Forum bieten. „Armin Laschet will kämpfen, kann kämpfen, und das zeigt er jetzt auch“, sagte CSU-Chef Söder und lobte zugleich das Zukunftsteam, das Laschet am Freitag vorgestellt hatte. 

Wirtschaftsvertreter und Politikwissenschaftler sind jedenfalls skeptisch, ob diese Unions-Truppe noch eine Wende bringen könnte. Außer der Einbindung seines einstigen Rivalen um die Kanzlerkandidatur, Friedrich Merz, habe Laschet „nicht wirklich Prominenz aufgefahren, mit der eine breite Öffentlichkeit auf den ersten oder zweiten Blick Kompetenz verbindet‘, sagte der Hauptgeschäftsführer des Mittelstandsverbands ZGV, Ludwig Veltmann. Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter hält es für unwahrscheinlich, dass Laschet mit dem „Team Unbekannt“ Boden gutmachen kann. „Der erhoffte Knall wird verhallen“, sagte er dem Handelsblatt.

Laschet hatte vier Frauen und vier Männer vorgestellt, die in den drei Wochen bis zur Wahl für Themen wie Finanzen, Klima, Sicherheit, Familie und Kultur stehen und die gesamte Breite der Union repräsentieren sollen. Neben Merz sind Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU), der stellvertretende Unionsfraktionschef Andreas Jung (CDU) und die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Silvia Breher die Einzigen mit Erfahrung in der Bundespolitik.

Zumindest in Fachkreisen bekannt ist der Terrorismusexperten Peter Neumann. Daneben berief Laschet Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch und den Bundestagskandidaten und Musikmanager Joe Chialo (alle CDU). 

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich in der Kanzlerfrage am Sonntag demonstrativ hinter den Kandidaten ihrer Partei. Laschet führe das größte Bundesland NRW sehr erfolgreich, sagte sie nach einem gemeinsamen Besuch in den Flutgebieten: „Und wer so ein Land führen kann, kann auch die Bundesrepublik Deutschland als Kanzler führen.“

Mehr: „Das weckt schlimmste Befürchtungen“ – Die Angst der Unternehmer vor dem Linksruck

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