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Ampel-Koalition streitet über Impfpflicht - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die möglichen künftigen Regierungspartner SPD, Grüne und FDP beraten über eine eng begrenzte Impfpflicht zum Schutz von Einrichtungen wie Pflegeheimen oder Kindertagesstätten. Am Montagnachmittag korrigierte die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt aber, dass man sich bereits darauf geeinigt habe, dieses Vorhaben in einem neuen Gesetzgebungsverfahren anzugehen. Einige Stunden später teilte die Grünen-Fraktion mit: „Über eine Impfpflicht in besonderen Einrichtungen wird die Ampel erst noch in einem eigenen Verfahren, unabhängig vom Infektionsschutzgesetz, beraten.“ Auch in der SPD-Fraktion wurde deutlich gemacht, dass es zwar eine Offenheit für solche Überlegungen gebe, das aber noch gründlich erörtert werden müsse.

Mittags hatte Göring-Eckardt gesagt: „Wir werden eine Impfpflicht brauchen für Einrichtungen, bei Pflegeheimen, bei Kindertagesstätten et cetera. Wir werden das auf den Weg bringen.“ Auf Nachfrage bestätigte sie zunächst, dass die Mitglieder der angestrebten Ampel-Koalition sich in dieser Frage einig seien. Das wurde aus Kreisen der Ampel-Parteien bestritten.

Trotz der geplanten Verschärfungen der Corona-Maßnahmen sollen die Geschäfte nach Aussage von Göring-Eckart auch künftig offen bleiben. „Wir müssen keine Läden schließen, das sagen uns auch die Virologen“, sagte die grüne Fraktionsvorsitzende. Auch Restaurants sollen offen bleiben, soweit sie genügend Plätze mit entsprechenden Hygiene-Konzepten zur Verfügung stellen können.

Schließungen von Bars möglich

Bei Bars könne es hingegen zu Schließungen kommen. Dort dürften sich nur so viele Menschen aufhalten, wie das unter den Bedingungen der Pandemie möglich sei. Bei der Umsetzung der geplanten 3-G-Regel in öffentlichen Verkehrsmitteln solle es keine ständigen Kontrollen an den Türen von Bussen und Bahnen geben, sagte Göring-Eckardt. Vielmehr solle es im Rahmen von Fahrscheinkontrollen mit abgefragt werden. Es soll dabei auch Bußgelder geben. 

Beim öffentlichen Personennahverkehr kündigten die Landkreise Widerstand gegen die Pläne der Ampel-Parteien an. „So richtig es ist, die Kontakte im öffentlichen Raum zu reduzieren, so falsch ist es, nicht umsetzbare Einschränkungen vorzunehmen“, sagte Landkreistagspräsident Reinhard Sager der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die 3-G-Regelung wäre im öffentlichen Nahverkehr „praktisch nicht zu kontrollieren“. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht für den Fall der Einführung der 3-G-Regel in öffentlichen Verkehrsmitteln bei Kontrollen die Polizei und anderes „qualifiziertes Sicherheitspersonal“ gefordert, nicht jedoch das Fahrpersonal. Dazu müsse es eine Klarstellung geben, erklärte die Gewerkschaft am Montag.

Bund-Länder-Gipfel soll 2 G und 2-G-Plus verabreden

Geklärt werden muss laut Göring-Eckart noch, wie die Regelung in den Schulbussen umgesetzt werden soll. „Die Schulkinder sollten nicht zuhause bleiben müssen, weil sie nicht in den Bus dürfen.“ Nach den Worten der grünen Fraktionschefin soll es zudem eine 2-G-Regel für die Ausübung von Sport in Innenräumen geben.

Von dem für Donnerstag geplanten Bund-Länder-Gipfel solle das „gemeinsame Zeichen“ ausgehen, „2 G und 2-G-Plus deutschlandweit zu verabreden“, sagte Göring-Eckardt weiter. „Diese Möglichkeit schaffen wir im Gesetz.“ Dann sollten die Länder sie auch anwenden. Die „Ampel“ lege jetzt etwas vor, was der Wirklichkeit und der Dramatik der Lage, aber auch dem Rat von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerinnen entspreche.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte zuvor angekündigt, dass die Ampel-Parteien alle nötigen Entscheidungen gegen die Verschärfung der Corona-Lage in Deutschland treffen wollen. „Wir werden heute weiter gut beraten, das ist, glaub ich, auf ganz konstruktivem Weg, und ansonsten natürlich parallel dazu beitragen, dass wir all die notwendigen Entscheidungen treffen, damit wir das Infektionsgeschehen gut im Griff behalten und in dieser Woche auch im Bundestag die richtigen Entscheidungen dazu treffen“, sagte Scholz am Montag vor der Fortsetzung der Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP in Berlin. Am Donnerstag wollen die Ampel-Partner Änderungen des Infektionsschutzgesetzes im Parlament beschließen.

Eine endgültige Einigung über alle Details stand am Montag noch aus, zwischen den Berichterstattern der Fraktionen dauerten die Gespräche an. Angestrebt werde eine abschließende Einigung bis zur Sitzung des Hauptausschusses des Bundestages am Dienstag, der die Änderungen formell für die Bundestagssitzung auf den Weg bringen müsste, hieß es.

„Das ist faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte“

Nach bisherigem Stand soll in das neue Infektionsschutzgesetz auch der Vorschlag des Bundesarbeitsministeriums eingehen, die 3-G-Regel am Arbeitsplatz gelten zu lassen. Ebenso soll die zwischenzeitlich gelockerte Homeoffice-Pflicht zurückkehren. Die Parteien einigten sich überdies darauf, „die Möglichkeit, Kontaktbeschränkungen im privaten und im öffentlichen Raum anordnen zu können“, in den Maßnahmenkatalog aufzunehmen.

Insbesondere von Seiten der Union war kritisiert worden, dass sich die Ampel-Parteien um diese Möglichkeiten bringen würden, wenn sie die pandemische Lage und die damit zusammenhängenden Sonderbefugnisse wie geplant am 25. November auslaufen lassen. Zu den nun vorgesehenen G-Regeln und den möglichen Kontaktbeschränkungen sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese am Montag: „Das ist faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte, der hier auf den Weg gebracht wird.“

Fachleute haben derweil einer einseitigen Konzentration auf die sogenannten 2-G- und 3-G-Regeln bei der Bekämpfung der sich ausbreitenden Corona-Pandemie gewarnt. „Wir werden mit 3 G keine Infektionen von Ungeimpften verhindern“, sagte der Virologe Christian Drosten am Montag auf der öffentlichen Ausschuss-Anhörung im Bundestag zu den von SPD, Grünen und FDP geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes.

Drosten: Viele Ungeimpfte durch 3 G schwer zu erreichen

Vorrangiges Ziel bleibe der Schutz der Ungeimpften – eine Infektion könne in dieser Gruppe aber auch durch Testungen nicht verhindert werden, sagte Drosten. Die 3-G-Regel erlaubt neben Geimpften und Genesenen auch Getesteten den Zutritt etwa zu Veranstaltungen in Innenräumen. Allerdings könnten auch Geimpfte unwissentlich infiziert sein und das Virus übertragen.

Viele ungeimpfte Gruppen seien zudem durch 3 G schwer zu erreichen, weil sie zum Beispiel keiner formalen Arbeit nachgingen oder im Ruhestand seien, nicht viel reisten und kaum Veranstaltungen besuchten und sich „eigentlich im Privatleben bewegen“, sagte Drosten. Auch durch 2G - also den Zutritt nur noch für Geimpfte und Genesene - sind diese Menschen Drosten zufolge kaum geschützt, weil sie das Virus im Privatbereich „nach Hause getragen bekommen“, unter anderem von Kindern aus der Schule. Der Virologe der Berliner Charité sprach sich daher für eine „zusätzliche Schutzschicht“ für ungeimpfte Gruppen aus, die sich im Privaten infizieren können. Dies betreffe etwa die „Freiheit, sich zu treffen“. 

Auch Max-Planck-Forscherin Viola Priesemann sieht die 2-G- und 3-G-Regelungen nicht als Allheilmittel. Nur 2 G und 3 G im öffentlichen Bereich zu etablieren, werde „nicht reichen, um die Fallzahlen runterzubringen“. Die meisten Kontakte gebe es schließlich im Privatbereich. Priesemann sprach sich erneut nachdrücklich für ein schnelleres Tempo bei Grundimpfungen und Auffrischungsimpfungen aus. Wenn bei Impfungen wieder ein Niveau wie im Sommer erreicht würde, „dann würden wir in einem Monat erste Wirkungen sehen“, sagte Priesemann auf der Anhörung mit Blick auf die Zahl der Neuinfektionen.

Arbeitgeber begrüßen 3-G-Pläne

Hingegen der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, begrüßt die von SPD, Grünen und FDP geplante 3-G-Regel, wonach nur noch Geimpfte, Genesene und Getestete einen Arbeitsplatz mit Personenkontakt aufsuchen dürfen. „Dass Arbeitgeber künftig den Impfstatus ihrer Beschäftigten erfragen und speichern dürfen, ist eine wichtige Voraussetzung, um den innerbetrieblichen Gesundheitsschutz effektiv und zielgenau zu gewährleisten“, erklärt Dulger.

Wenn Beschäftigte einen 3-G-Nachweis schuldig blieben und somit nicht arbeiten könnten, bekommen sie nach seinen Worten auch kein Gehalt: „Wer aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht zur Arbeit erscheint, kann bisher für die ausgefallene Arbeit keinen Lohn beanspruchen. Andernfalls droht erst recht eine Schieflage, wenn Menschen, die sich Tests und Impfung verweigern, mit bezahlter Freistellung belohnt würden."

SPD, Grüne und FDP wollen den Corona-Sonderstatus weiterhin auslaufen lassen. Die Bundesländer sollen aber eine Öffnungsklausel bekommen: Auf Beschluss ihres jeweiligen Landtags sollen sie bestimmte Maßnahmen beibehalten können. So sollen sie etwa Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie Versammlungen untersagen oder beschränken können, das Betreten von Gesundheitseinrichtungen verbieten können, Verkauf und öffentlichen Konsum von Alkohol verbieten und Hochschulen schließen können.

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