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Frank-Walter Steinmeier: Eine herzliche Ehrung für „Mister President“ - DIE WELT

Es sind persönlich anerkennende, ja zugewandte und herzliche Worte, die Ronald Lauder am Donnerstagabend für Frank-Walter Steinmeier findet. Der Bundespräsident weilt in New York, weil ihm die Leo-Baeck-Medaille des gleichnamigen Institutes verliehen wird.

In den Räumen des Zentrums für Jüdische Studien in Manhattan hält Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, die Laudatio auf seinen „Freund“ Steinmeier. Als einen Mann mit „Integrität und Mut“ würdigt Lauder das deutsche Staatsoberhaupt. Er könne sich keinen würdigeren Preisträger vorstellen als Steinmeier, sprach von dessen – „Herzlichkeit, Freundlichkeit, Ehrlichkeit und Anstand“.

Der Abend des jährlichen Preisdinners beginnt mit jüdischem Ritus. Rabbi Ismar Schorsch wäscht sich die Hände, bricht das Brot, verweist auf den nahenden Sabbat. Die amerikanisch-deutsch-jüdische Gemeinschaft hat sich im Saal versammelt, sitzt an runden Tischen in einem hell erleuchteten Saal.

Bundespräsident Steinmeier besucht New York
Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender am 9/11-Memorial in New York
Quelle: dpa/Guido Bergmann

Bei einem Empfang zuvor besuchte mancher die Ausstellung über die deutschen Juden im New Yorker Stadtviertel Washington Heights, dem einstigen „Frankfurt am Hudson“. Unter den Gästen befinden sich die Ehefrau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, Phil Murphy, der – soeben wiedergewählte – Gouverneur von New Jersey und einstige US-Botschafter in Berlin sowie Emily Haber, deutsche Botschafterin in Washington.

Per Leinwand gesellt sich noch ein alter Freund Steinmeiers aus Außenminister-Zeiten dazu: John Kerry, einst Amtskollege, nun der Klima-Beauftragte von Präsident Joe Biden. Per Videobotschaft gratuliert Kerry „Frank“, wie er sagt, würdigt dessen „Weisheit, Rat, Freundschaft“.

Ihr Kollegendasein habe sich zu einer Freundschaft entwickelt, weit jenseits von bilateralen Treffen. Kerry erwähnt auch Steinmeiers derzeitige Wirkungsstätte, verwendet das deutsche Wort „Schloss“ (Bellevue) und gratuliert „Mister President“ zum Preis, indem er das Glas erhebe: „Prost“.

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Die launige Rede Kerrys sollte nicht täuschen. Der Abend im Zentrum für Jüdische Studien ist keine ausgelassene Feier oder eine Party. Es ist eher eine herzliche Gedenkstunde, die an das Grauen der Shoah erinnert und den neuen, gegenwärtigen Antisemitismus beim Namen nennt, während er so gern verdrängt und relativiert wird. Doch vor allem ist es ein Abend der Begegnungen und Gespräche. David Marwell, Präsident des Leo Baeck Instituts, erinnert an das berühmte Diktum Baecks, der nach dem Holocaust keine Zukunft für Juden in Deutschland sah. Er verweist auf Steinmeiers Philosophie, wonach die Auseinandersetzung, ja der Kampf mit der eigenen Geschichte nötig ist, um der Zukunft gerecht zu werden.

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Lauda schlägt in seiner Rede ebenfalls einen Bogen von Baeck zur Gegenwart, von der Wiedererstehung des jüdischen Lebens in Deutschland zu dessen Anfeindungen. „Wir erleben den größten Anstieg des Antisemitismus seit dem Kriegsende 1945“, sagt Lauder. An Steinmeier gewandt fügt er hinzu: „In einer Zeit, in der zu viele Staatsund Regierungschefs der Welt schweigen, gibt es einen Mann, der deutlich und mit großer moralischer Klarheit spricht – und das sind Sie, Herr Präsident.“ Deutsche und Juden würden für alle Zeiten aus den schlimmsten Gründen miteinander verbunden sein, sagt Lauder: „Wir können nicht so tun, als gäbe es das nicht.“ Deutschland aber habe sich auf ehrliche Weise mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt, seine Verantwortung übernommen. Es verstehe seine besondere Rolle im Verhältnis mit Israel.

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Nun aber, zumal im Internet und mit der Covid-Pandemie, sei Antisemitismus wieder präsent, sagt Lauder. Hinzu komme, dass diese Angriffe, ob körperlich oder online, oft nicht mehr auf den Titelseiten der Zeitungen zu finden seien. Oft seien sie, hier verwendet Lauder das deutsche Wort, zu „Randnotizen“ geworden. Lauder hat aber auch noch eine außenpolitische Botschaft parat, wohl wissend, dass Steinmeier einst als Außenminister das Atomabkommen mit dem Iran verhandelt hatte. In Bezug auf Irans Aggression gegen Israel fordert Lauder: „Keine Nation sollte einer anderen Nation mit der totalen Zerstörung drohen.“ Aus dem Zweiten Weltkrieg solle man gelernt haben, dass derlei Aussagen Konsequenzen haben. Die Menschen müssten wissen, dass jüdische Stimmen wichtig sind, und antijüdische Stimmen müsste gestoppt werden, sagt Lauder.

Bundespräsident Steinmeier besucht New York
Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender am sogenannten "Survivor Tree"
Quelle: dpa/Guido Bergmann

Steinmeier habe sich da stets klar positioniert, „von Anfang an gegen diese Form des Hasses gestellt“. Einen kleines, unkonventionelles verbales Geschenk hat Lauder für Steinmeier auch noch parat. Er wolle sich ja nicht in die deutsche Politik einmischen, leitet Lauder es ein. Aber bald stehe ja eine Wahl für Steinmeiers Amt an, sagt er mit Blick auf die Bundesversammlung im Februar 2022. Steinmeier ist bekanntermaßen zu einer zweiten Kandidatur bereit. Lauder sagt: „Ich kann mir keine bessere Person vorstellen, die Deutschland als Präsident haben könnte als Sie.“ Steinmeier, an seinem runden Tisch sitzend, grinst da kräftig, und lässt sein kehliges Lachen erklingen, als Lauder augenzwinkernd ergänzt, mit diesem Hinweis handele es sich nur um eine „Feststellung“, nicht also um bezahlte politische Werbung. „Wir danken Ihnen, dass Sie der Mann sind, der Sie sind“, sagt Lauder zum Ende seiner Rede.

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Es folgt die Verleihung jenes Preises, den zuvor schon Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Bundespräsidenten Joachim Gauck und Johannes Rau erhalten haben. Der Saal erhebt sich. Die Auszeichnung sei eine „große Ehre“ und erfülle ihn mit „tiefer Demut“, sagt Steinmeier in seiner in Englisch gehaltenen Rede

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„Unsere Verantwortung vor der Geschichte ist Teil unserer Identität. Sie kennt keinen Schlussstrich und keine Relativierung“, sagt Steinmeier: „Wir dürfen in Deutschland keinen Antisemitismus dulden. Dafür werde ich weiterkämpfen, als Staatsoberhaupt dieses Landes und als Mensch.“ Das „Wunder der Versöhnung“, das Deutschland zuteil geworden sei, sei kein Geschenk des Himmels, sondern das Geschenk von Menschen gewesen. Steinmeier verweist auf Leo Baeck, auf Margot Friedländer, Charlotte Knobloch, Henry Kissinger, den er am Donnerstagmorgen besucht hat, auf Regina und Zwi Steinitz, auf viele andere Versöhner.

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Besonders hebt er Reuven Rivlin, bis vor kurzem Präsident Israels. „Im Sommer habe ich ihn zum letzten Mal in seinem Amt als Staatspräsident besucht, und wie sehr hat es mich bewegt, ihm das Studienzeugnis seines Vaters mitzubringen, ausgestellt im Jahr 1926 an der Universität Frankfurt“, sagt Steinmeier. Der Bundespräsident schließt seine Dankesrede mit der Feststellung: „Nur wenn Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder vollkommen zu Hause sind, sich vollkommen sicher fühlen, nur dann ist Deutschland ganz bei sich.

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