Wie unterschiedlich die Menschen auf die bald zwei Jahre andauernde Corona-Krise reagieren, lässt sich schon im privaten Umfeld gut ablesen: Von Resignation über Anspannung bis hin zu Wut reichen die Reaktionen. Kalt lässt die Krise kaum jemanden.
Und doch hängt es sehr stark von der eigenen Verfasstheit und den eigenen Lebensumständen ab, wie stark sich die Menschen von der Krise beherrschen lassen. Mit ihrer qualitativen Langzeitstudie „Lebensgefühl Corona“ haben die Diakonie Deutschland und die evangelische Kirche zusammen mit anderen Partnern jetzt erstmals einen Einblick in die Gefühlslage der Menschen seit Beginn der Pandemie vorgelegt.
In drei Befragungswellen haben 50 Menschen, die einen Längsschnitt der Gesellschaft abbilden, zwischen September 2020 und Juli 2021 Auskunft darüber gegeben, wie sie die Krise erleben, was sie bewegt und was sie trägt. „Mütend“, diese Wortschöpfung zwischen müde und wütend, gebe den Gefühlszustand vieler Menschen zutreffend wieder, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bei der Präsentation der Studie.
Doch auch „Krisengewinnler“ habe es gegeben. Menschen nämlich mit stabilem inneren und äußeren Gerüst und guter Resilienz, die selbst der Krise etwas Positives abgewonnen hätten: „Keine nervigen Wege zur Arbeit, keine ermüdenden Dienstreisen, stattdessen kompakte Zoom-Meetings, Zeit zum Kochen mit der Familie und gemütliche Fernsehabende auf dem Sofa.“ Acht „Pandemietypen“ haben die Forscher um Studienleiter Daniel Hörsch von der evangelischen Zukunftswerkstatt „midi“ herauskristallisiert. Auffällig: Ein spezieller „Querdenker“-Typus wurde nicht erfasst.
Im „Pandem-O-Mat“ kann jeder online den Selbsttest machen, welchem Typ er am ehesten entspricht. Hier ein Überblick der acht Typen:
Die Achtsamen
Achtsame sind Suchende, auf dem Weg der Selbstverwirklichung und um inneren Frieden bemüht. Auf das Pandemie-Geschehen schauen sie relativ entspannt und innerlich ruhig. Der erste Lockdown wurde zum Aufräumen, Aussortieren und Ordnen genutzt. Achtsame hoffen sehr, dass gute Erfahrungen aus der Corona-Zeit ins Post-Pandemische transformiert würden.
Die Erschöpften
Diese Gruppe empfindet das Leben seit jeher als Kampf, das Leben gleicht einem Hamsterrad. Die Erschöpften zeichnet eine fatalistische Einstellung zur Pandemie aus, die den Alltag um einiges mühsamer hat werden lassen. Die Regelungen zur Pandemiebewältigung wurden von ihnen ernst genommen und penibel eingehalten. Ihre Sehnsucht nach einem „Pausen-Knopf“, nach Momenten des Durchatmens im Alltag ist groß.
Die Empörten
Empörte treten aktiv für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität ein. Sie stehen Neuem aufgeschlossen gegenüber und nehmen Herausforderungen sowie Krisen als Abenteuer an. Sie sind kreativ, gesellig und spontan. In der Pandemie haben sie ihr Bedürfnis nach Nähe kreativ-digital aufgefangen, etwa durch das gemeinsame Kochen über Zoom.
Die Zuversichtlichen
Zuversichtliche haben ihren Platz im Leben gefunden, Beständigkeit ist ihnen wichtig. Sie sind gesellig, suchen die Gemeinschaft, denken und handeln altruistisch. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie tragen sie pragmatisch mit, auch wenn die sozialen Kontakte gefehlt haben.
Die Mitmacher
Familienmenschen aus der bürgerlichen Mittelschicht, die gesellschaftlich stark engagiert sind. Stabilität, Ordnung und Sicherheit sind für sie wichtige Pfeiler, die auch in der Krise geschätzt und eingefordert werden. Die Mitmacher haben den starken Wunsch nach klaren und einheitlichen Regeln, gesellschaftlichem Zusammenhalt und Durchhaltevermögen.
Die Genügsamen
Die Genügsamen achten sehr auf ihre Work-Life-Balance, sie haben das Bedürfnis nach Entschleunigung, innerer Ruhe und Ausgeglichenheit. Sie sind insgesamt gut durch die Pandemie gekommen.
Die Denker
Sie verstehen sich als intellektuelle Avantgarde, die die Freiheit des Denkens schätzen und Dogmatismus ablehnen. In der Pandemie sorgen sie sich vor allem um die Langzeitfolgen. Sie kritisieren mangelnde Weitsicht und unklare Krisenkommunikation in der Pandemie-Bekämpfung.
Die Ausgebrannten
Ausgebrannte haben ein ausgeprägtes Herz für die Schwachen und Bedürftigen, stellen die Bedürfnisse anderer über die eigenen. In der Pandemie fühlen sie sich vielfach überlastet, ausgezehrt, entkräftet und resigniert. Sie vermissen das Verständnis und die Wertschätzung für ihre aufopferungsvolle Fürsorge.
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