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Corona-Regeln spalten die Politik in Berlin: "Ziemlich dümmliches Gerede" - t-online.de

Die Corona-Lage droht außer Kontrolle zu geraten. Die Politik beschwört für den Mittwoch ein alles entscheidendes Treffen. Doch eine gemeinsame Linie von Bund und Ländern ist fern.  

Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann erwartet "eine schwierige Kiste". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hofft auf "einen großen Wurf". Und Kanzleramtschef Helge Braun sagt eine Debatte mit "historischer Dimension" voraus. 

Wenn sich die Ministerpräsidenten am Mittwoch um 14 Uhr mit der Bundesregierung zum Corona-Gipfel in Berlin treffen, ist allen klar: Es muss etwas passieren. Die Infektionszahlen steigen stark, längst nicht mehr nur in den großen Städten, sondern auch auf dem Land. Die Gesundheitsämter können mancherorts die Kontakte von Infizierten schon jetzt nicht mehr verfolgen. Dabei beginnt die kalte Jahreszeit erst. Die Zahlen müssen runter. Und zwar möglichst deutlich und möglichst schnell. Das sehen alle so.

Doch das war's dann auch schon mit der Einigkeit.

Wie genau man die Zahlen drücken will, darüber herrscht so große Uneinigkeit wie lange nicht mehr. Herauskommen könnte ein noch größeres Wirrwarr von Corona-Regeln, das dann auch der Gutwilligste nicht mehr versteht. Und entsprechend auch niemand mehr beachtet.

Die "Öffnungsdiskussionsorgien" und das danach

Mit der Einheitlichkeit ist es strenggenommen schon länger nicht mehr wirklich weit her. Ein anfängliches Unterhaken der Länder war schon Ende April weitgehend beendet. Angela Merkel sprach damals von "Öffnungsdiskussionsorgien", was die Länder nicht wirklich interessierte, sie öffneten munter weiter.

Mal setzte Markus Söder in Bayern Akzente, mal Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen. Mal musste sich der eine widerrufen, mal der andere. Ab und zu schlossen sich andere Länder an, meistens ignorierten sie die beiden und machten einfach selbst, was sie für richtig hielten.

Und wenn mal wieder ein Bund-Länder-Treffen anstand, betonte man weiterhin gewissenhaft, dass einheitliche Maßnahmen wünschenswert seien. Auch jetzt ist das wieder so. Das Problem ist nur: Zwischen April und September schien die Lage im Griff. 

Behauptete Einheitlichkeit

Warum es vor allem jetzt nicht mehr reicht, Einheitlichkeit nur zu behaupten und zu beschwören, zeigt sich am Streit um das Beherbergungsverbot besonders eindrücklich. Sollten Menschen aus dem Corona-Hotspot Bremen im benachbarten Niedersachsen nur ein Bett bekommen, wenn sie einen negativen Corona-Test vorweisen können? 

Beim Bund-Länder-Treffen in der vergangenen Woche hielten das zumindest elf von 16 Bundesländern grundsätzlich für eine gute Idee. Andere sahen es überhaupt nicht ein. Was dazu führte, dass Brandenburger nun zwar in Berlin übernachten (und sich dort anstecken) dürfen, Berliner dem Corona-Hotspot aber nicht ohne Weiteres ins weitläufige Brandenburger Umland entfliehen können. Gleichzeitig aber jeden Tag viele Menschen zwischen beiden Bundesländern pendeln.

Und nicht nur der innerdeutsche Tourismus ist betroffen, den die Politik noch vor einigen Wochen als gute Alternative für Reisen ins Ausland gepriesen hatte. In Karlsruhe musste am Dienstag eine Verhandlung am Bundesverfassungsgericht kurzfristig verschoben werden. Aus einem profanen Grund: Berliner Prozessbeteiligte durften wegen des Beherbergungsverbots dort nicht übernachten. Die Richter begannen deshalb statt um 10 Uhr erst um 12 Uhr – damit alle am gleichen Tag an- und wieder abreisen konnten. 

Das ist die Krux am Beherbergungsverbot: Was ein Land für sich beschließt, hat Auswirkungen auf alle anderen. 

"Ziemlich dümmliches Gerede"

Bremen, Thüringen, Berlin und Nordrhein-Westfalen haben dabei von Beginn an nicht mitgemacht. Angesichts der gewaltigen Kritik aus Tourismusbranche, Gastgewerbe und von Kommunalverbänden rücken inzwischen auch andere Länder wieder vom Beherbergungsverbot ab. Rheinland-Pfalz sei bereit, die Regelung zu kippen, sagte eine Sprecherin t-online. Das Saarland zeigt sich offen, Hamburg war auch nie wirklich begeistert. Selbst Markus Söder beharrt nicht mehr auf der Regelung.

Fällt das Verbot also?

Lautstarker Widerstand kommt aus Norddeutschland. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig warb am Dienstag in diversen Interviews für die Regel, mit der ihr Bundesland große Erfolge erzielt habe. Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther, der als Vater der Idee gilt, sagte der "FAZ": Nun von "Kleinstaaterei" und einem "Flickenteppich" zu schwadronieren, halte er "für ziemlich dümmliches Gerede". 

Notfalls auch im Alleingang

Der "große Wurf", den Söder sich wünscht – er ist also beim Beherbergungsverbot äußerst fraglich. Der bayerische Ministerpräsident hat deshalb schon mal vorgebaut und einen möglichen Alternativ-Erfolg ins Spiel gebracht. Er sprach sich am Dienstag für eine erweiterte Maskenpflicht in ganz Deutschland aus. Etwa auf öffentlichen Plätzen, in öffentlichen Gebäuden oder Fahrstühlen. Auch Privatfeiern müssten runtergefahren werden. 

Mehr Beschränkungen, möglichst einheitlich und überall. Es sind Überlegungen, die auch in anderen Staatskanzleien durchaus auf Gegenliebe stoßen. Zumindest im Grundsatz. Viele haben das ohnehin schon gemacht. Im Hotspot Bremen gibt es eine Maskenpflicht an öffentlichen Orten, an denen es eng wird, eine Sperrstunde, Kontaktbeschränkungen und Obergrenzen für Feiern. In Nordrhein-Westfalen sind Privatfeiern ebenfalls begrenzt. Rheinland-Pfalz will auch eine strenge Partyregel einführen: 25 Teilnehmer, maximal, egal ob zu Hause oder in der Gaststätte. 

Notfalls auch im Alleingang.

Und genau da könnte es dann wieder schwierig werden mit der Einheitlichkeit. Denn bei den Details gehen die Meinungen auseinander. Da kann die Lage noch so ernst sein. Im Zweifel will jeder Landesfürst selbst über seine Maßnahmen entscheiden. Und dass Regionen mit geringeren Fallzahlen etwas anderes brauchen als Hotspots, lässt sich ja auch tatsächlich gut begründen. 

Ein Füllhorn von Maßnahmen

Denkbar ist also, dass sich Bund und Länder auf ein Füllhorn von Maßnahmen einigen, aus denen sich jeder bedienen kann. Auf einen Rahmen also, so wurde das schon einmal genannt. Die Frage wird wieder sein, wie groß dieser Rahmen sein muss, damit alle Maßnahmen in den Ländern hineinpassen. Und was der Rahmen dann noch wert ist.

Als Erfolg würde wohl verbucht, wenn man sich zumindest auf möglichst verbindliche Schritte einigen könnte, wenn eine Region zum Hotspot wird, also die Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Menschen in sieben Tagen reißt. Mit den elf größten Städten ist das vergangene Woche weitgehend gelungen. Doch die Zahlen steigen eben längst nicht mehr nur dort.

Ob es wirklich dazu kommt? Völlig offen. Gut möglich also, dass sich Kanzlerin und Ministerpräsidenten sehr bald wiedersehen oder zusammenschalten.

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