Bund und Länder haben am Mittwoch um eine Einigung auf schärfere Kontaktbeschränkungen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus gerungen. Bei einem Treffen im Kanzleramt, das seit langer Zeit erstmals wieder als Präsenzveranstaltung und nicht als Videokonferenz stattfand, besprachen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder, wie auf die steigenden Infektionszahlen zu reagieren ist.
Offenkundig war die Kanzlerin mit dem Verlauf der Beratungen und den geplanten Beschlüssen unzufrieden, weil sie diese für unzureichend hielt. „Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden“, sagte Merkel nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern am Mittwochabend während der Sitzung. Mit den nun festgelegten Maßnahmen würden Bund und Länder „in zwei Wochen eben wieder hier“ sitzen. „Es reicht einfach nicht, was wir hier machen.“ Die Grundstimmung sei, dass sich jedes Land ein kleines Schlupfloch suche. „Das ist das, was mich bekümmert. Und die Liste der Gesundheitsämter, die es nicht schaffen, wird immer länger.“ Doch Merkel stieß mit ihrer härteren Linie auf Widerstand bei den Ländern.
Entscheidung über Beherbergungsverbot erst im November
Da sich private und öffentliche Feiern als die wichtigsten Treiber der Infektion erwiesen haben und sie in den kalten Herbst- und Wintermonaten ausschließlich in Innenräumen mit hohem Ansteckungsrisiko stattfinden können, sind sie von den härtesten Einschränkungen betroffen. In Regionen mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche sollen private Feiern künftig generell auf maximal zehn Teilnehmer und zwei Haushalte begrenzt werden. Bleibt der Wert der Neuinfektionen über zehn Tage so hoch, dürfen sich nur noch maximal fünf Personen aus zwei Hausständen zu privaten Feiern treffen. Diese Bestimmung wird sich am schwersten kontrollieren lassen. Für die Sperrstunde für die Gastronomie um 23 Uhr, die ebenfalls bei einer Inzidenz von 50 pro 100.000 eingeführt werden soll, gilt das nicht.
Zu dem unter den Ländern so umstrittenen Beherbergungsverbot für Personen aus Hotspot-Regionen haben Bund und Länder keine einheitliche Linie gefunden. Allerdings soll die Wirksamkeit des Beherbergungsverbots überprüft und erst am 8. November, am Ende der Herbstferien, darüber entschieden werden. Im Beschluss wird eindringlich dazu aufgefordert, „nicht erforderliche innerdeutsche Reisen“ in Gebiete mit einer Zahl von Neuinfektionen oberhalb der 50-Personen-Marke oder Reisen aus solchen Gebieten zu unterlassen. Dem Vernehmen nach wollen Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Hamburg zunächst bei der Regelung bleiben, dagegen soll sie in Sachsen und im Saarland schon bald fallen. Wie Bayern verfahren wird, ist noch offen und soll am Donnerstag in einer Kabinettssitzung entschieden werden. Vorläufig hält also die Mehrheit der Länder an ihrem Beherbungsverbot fest. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte bei den Beratungen entschieden für die Abschaffung des Verbots gekämpft. Doch der unüberwindliche Widerstand Mecklenburg-Vorpommerns hatte sich schon vor dem Treffen abgezeichnet.
Zu Beginn des Treffens hatte der Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, Michael Meyer-Hermann, anderthalb Stunden mit der Runde diskutiert. Er warnte Bund und Länder dringend vor einem Kontrollverlust bei den Infektionen. „Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern zwölf, um das Schiff noch zu drehen“, sagte er im Kanzleramt. Deutschland stehe an der Schwelle zu einem exponentiellen Wachstum. Zur Verdeutlichung zeigte der Wissenschaftler eine Simulation, wie sich das Infektionsgeschehen entwickeln könnte, sollte die Politik jetzt nicht sehr entschieden gegensteuern. Meyer-Hermann schlug offenbar auch ein Ausreiseverbot für Menschen aus Risikogebieten vor, das bei den Teilnehmern aber auf große Skepsis stieß.
„Wir sind heute einen erheblichen Schritt vorangekommen, aber ob das reicht, ist offen“, sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am späten Abend. Es gebe einheitlichere und transparentere Regeln. Mehr Maske, weniger Alkohol und weniger Feiern sei der Dreiklang, der wichtig sei. Deutschland sei einem zweiten Lockdown viel näher, als es das wahrhaben wolle. Sollte es jedoch zu einem zweiten Lockdown kommen, werde das erhebliche Folgen für Wirtschaft, Bildungsverläufe und das soziale Leben haben, warnte Söder. „Es steht unglaublich viel auf dem Spiel und wir brauchen einen langen Atem“, sagte der Ministerpräsident und appellierte an die Solidarität aller.
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