Berlin. Hartz IV bedeutet für viele Betroffene nicht nur Hilfe, sondern auch jede Menge Druck. Der Arbeitsminister will nun die Regeln ändern.
- Hartz IV wird immer wieder kritisiert - vor allem die SPD fordert eine Reform des Systems, das die Partei selbst eingeführt hatte
- Arbeitsminister Hubertus Heil plant einige Veränderungen an den Sozialgesetzen
- Dabei geht es vor allem um die Sanktionen. Viele sollen entschärft werden
Vor mehr als 15 Jahren trat die Hartz-IV-Reform in Kraft – nun will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Regeln für Langzeitarbeitslose mit einem Gesetz deutlich entschärfen.
Außergewöhnliche Härten durch Sanktionen bei Pflichtverletzungen sollen künftig der Vergangenheit angehören. Zudem soll ein bereits als Reaktion auf die Corona-Pandemie eingeführter vereinfachter Zugang zur Grundsicherung für Arbeitsuchende „verstetigt“ werden, wie es in einem der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegenden Gesetzentwurf heißt. „Die Grundsicherung soll ein soziales Bürgergeld werden, für das sich niemand schämen muss, der es braucht“, kündigte Heil gegenüber dem „Spiegel“ in einem Interview an. Lesen Sie auch: Rekordpreis für Stroum - Hartz IV reicht nicht aus
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Sanktionspraxis des Jobcenters bereits seit 2019 eingeschränkt
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Sanktionspraxis des Jobcenters bereits im November 2019 eingeschränkt – nach jahrelanger Kritik. Seit 2005 hatten die Jobcenter unkooperative Hartz-IV-Empfänger nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ gemaßregelt, indem ihre Gelder gekürzt wurden.
Das Verfassungsgericht entschied am 5. November 2019, dass monatelange Minderungen um 60 Prozent oder mehr nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Monatliche Leistungen dürfen aber weiter um bis zu 30 Prozent gekürzt werden, wenn Hartz-IV-Empfänger ihren Pflichten nicht nachkommen.
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Hartz IV: Bessere Prüfung jeder Leistungsminderung
Seit dem Urteil wurde die alte Sanktionspraxis bereits durch Weisungen des Arbeitsministeriums und der Bundesagentur entschärft. Durch die Corona-Pandemie gab es zudem ohnehin immer weniger Sanktionen. Heil will nun dauerhaft gesetzlich regeln, dass monatliche Minderungen 30 Prozent des Regelbedarfs nicht überschreiten dürfen. Laut Entwurf soll dies gelten, wenn Leistungsberechtigte ohne wichtigen Grund wiederholt ihre Pflichten verletzt oder persönliche Meldetermine nicht wahrgenommen haben.
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- Niemand soll laut den Plänen Heils befürchten müssen, dass die Wohnkosten von Leistungsminderungen betroffen sind.
- Bei jeder Leistungsminderung soll geprüft werden, ob sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte darstellt.
- Insbesondere gestritten wurde über Jahre über schärfere Sonderregelungen für Unter-25-Jährige – diese sollen nach Heils Plänen nun dauerhaft entfallen.
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Heils Pläne: Schutz von Vermögen und Wohnsituation
Eine zu große Wohnung und Erspartes konnten für Bezieher der Grundsicherung früher schnell zum Problem werden. Erleichterten Zugang zur Grundsicherung in der Corona-Krise soll es durch das geplante Gesetz nun dauerhaft geben. Eine Prüfung der Jobcenter zu Wohnung und Vermögen, etwa wie groß die Wohnung der Betroffenen ist und ob diese Ersparnisse bis zu 60.000 Euro haben, ist in der Krise ausgesetzt. Während einer Karenzzeit von zwei Jahren sollen dem Entwurf zufolge Vermögen bis zu der genannten Summe geschützt und Mietkosten nicht auf ihre Angemessenheit geprüft werden.
Personen, die vorübergehend auf Arbeitssuche sind und durch die Grundsicherung aufgefangen werden, sollten darauf vertrauen können, sich nicht sofort um Ersparnisse und ihre Wohnsituation sorgen zu müssen. „Wir wollen einen Sozialstaat auf Augenhöhe, der mehr Sicherheit bietet und neues Vertrauen schafft“, hieß es dazu aus Heils Ministerium am Samstag.
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Um Menschen schneller aus der Grundsicherung herauszuhelfen, sollten künftig „Weiterbildung und ein Berufsabschluss Vorrang vor kurzfristiger Vermittlung in Arbeit haben“. Wer eine Weiterbildung mache, solle dafür einen Bonus von 75 Euro im Monat bekommen.
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Hartz-IV-Reform: Unionsfraktion und FDP lehnen Heils Pläne ab
Allerdings: Die Union lehnt die Reformvorschläge von Heil ab. „Sollte es die Situation erfordern, dass die Corona-bedingten Sonderregelungen verlängert werden müssen, sind wir als Union gesprächsbereit“, sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Wir stehen aber weiterhin zu dem Grundsatz „Fördern und Fordern“ und lehnen auch eine Entfristung dieser Sonderregelungen ab.“
Auch die FDP im Bundestag lehnte den Vorschlag ab. „Der Verzicht auf Sanktionen und die Erhöhung der Leistungen sind die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens durch die Hintertür“, sagte der sozialpolitische Sprecher der Fraktion, Pascal Kober.
Die Gewerkschaften reagierten bereits mit Begeisterung auf Heils Pläne. DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das ist ein sozialpolitischer Meilenstein.“ Damit könne der jahrelang schwelende Konflikt um das Hartz-IV-System, das von vielen als diskriminierend erlebt werde, entschärft werden. „Jetzt ist es an der Unionsfraktion, diese Reformpläne konstruktiv zu unterstützen.“
Die Hartz-Reformen waren zwischen 2003 und 2005 von der rot-grünen Bundesregierung unter Schröder eingeführt worden. Sie führten zu teils spürbaren Kürzungen von Sozialleistungen, etwa bei der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes.
(dpa/raer)
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