Fünf Tage nach der Bundestagswahl geht der CDU-Politiker Friedrich Merz hart mit seiner Partei ins Gericht. „Die CDU ist denkfaul geworden“, sagte der Ex-Unionsfraktionschef den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie habe sich viele Jahre auf den Apparat der Regierung gestützt. „Die Union hat das thematische Arbeiten verlernt. Das gilt für ihre inhaltliche Ausrichtung wie auch für ihre Präsenz bei den Themen und den Menschen.“ Das müsse jetzt wieder erarbeitet werden – „egal, ob in der Regierung oder in der Opposition“.
Bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag war die SPD mit 25,7 Prozent stärkste Kraft geworden. Die Union fuhr mit 24,1 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis ein.
Merz kritisierte, die CDU habe in den langen Jahren der Regierungsverantwortung viel an Profil und Inhalt aufgegeben. „Ich habe mich zweimal als Parteivorsitzender beworben, um die Partei inhaltlich-strategisch wieder stärker auszurichten. Aber das ist vergossene Milch. Es ist, wie es ist. Wir sind da, wo wir sind.“ Merz hatte sich zuletzt Ende 2020 um den Parteivorsitz beworben und war Armin Laschet unterlegen, der dann Kanzlerkandidat der Union wurde.
Carsten Linnemann pflichtete Merz am Freitag Morgen im Nachrichtensender von WELT bei: „Insgesamt haben wir in den letzten acht Jahren 17 Prozentpunkte verloren. Das heißt mit anderen Worten: Friedrich Merz hat Recht, dass wir jetzt eine Analyse starten müssen, dass wir als Partei wieder eine Mitglieder- und Programmpartei werden“.
„Mein Bedarf an streitigen Abstimmungen gegen das Establishment ist gedeckt“
Merz sagte weiter, er richte sich jetzt darauf ein, „ein normaler und hoffentlich guter Abgeordneter zu sein“. Er habe sich zweimal um den Parteivorsitz beworben, „jeweils mit Unterstützung einer überwältigenden Mehrheit der CDU-Mitglieder, die auch weiterhin ungebrochen ist. Trotzdem hat der Parteitag zweimal anders entschieden“, sagte er den Funke-Zeitungen. „Mein Bedarf an streitigen Abstimmungen gegen das Establishment ist gedeckt.“
Zum Wahlausgang sagte Merz, die Union habe einen beachtlichen Teil ihrer Wähler über einen längeren Zeitraum verloren. „Übrig geblieben ist ein harter Kern von 24 Prozent, der zu einem großen Teil noch nicht einmal aus Überzeugung, sondern aus purer Angst vor Rot-Grün-Rot die Union gewählt hat. Angst vor den Gegnern ist aber auf Dauer kein tragfähiges Fundament für eine politische Partei, für eine Volkspartei schon gar nicht.“
Mit Blick auf seine Unterstützung für Laschet sagte Merz: „Wenn wir einen Vorsitzenden gewählt haben, dann unterstütze ich ihn, so lange er eine Chance hat, seine Aufgaben auch zu erfüllen.“ Und diese Chance habe er immer noch. Auf die Nachfrage, wie lange das gelte, sagte Merz: „Das müssen wir abwarten. Wir sind jetzt in einer extrem empfindlichen und unsicheren Phase der deutschen Politik.“
Merz geriet mit Brinkhaus aneinander
Wie angespannt die Lage innerhalb der CDU ist, zeigte sich bei einem heftigen Schlagabtausch zwischen Merz und Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Wie der „Spiegel“ am Donnerstagabend berichtete, war Anlass der Plan von Brinkhaus, sich erneut zum Fraktionsvorsitzenden wählen zu lassen, statt zunächst temporär im Amt zu bleiben.
Merz warf Brinkhaus dem Bericht zufolge in einer vertraulichen Runde am Dienstagnachmittag vor, mit seinem Vorhaben der Partei zu schaden. Die Union habe gerade größere Probleme, als sich tagelang mit einer Wiederwahl von Brinkhaus zu beschäftigen. Auch Brinkhaus soll demnach emotional geworden sein. Er wolle sich nicht einschüchtern lassen, soll Brinkhaus entgegnet haben – die Kritik sei „lächerlich“.
Daraufhin knallte Merz dem Bericht zufolge ein mit Orangensaft gefülltes Glas auf den Tisch. An der Runde nahmen demnach auch Parteichef Armin Laschet, der Außenpolitiker Norbert Röttgen, Gesundheitsminister Jens Spahn und der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Landesgruppe in der Unionsfraktion, Günter Krings, teil. Der Deutschen Presse-Agentur wurde der Ablauf im Wesentlichen bestätigt.
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