Search

Corona-Notbremse: So könnte der neue Lockdown aussehen - Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Berlin.  Jetzt will der Bund durchgreifen: Ab einer bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz von 100 sollen strengere Maßnahmen gelten. Aber welche?

  • Das Infektionsschutzgesetz soll massiv verschärft werden
  • Die Bundesregierung plant Ausgangssperren
  • Laut einem Entwurf der Regierung soll das öffentliche Leben vorerst komplett zum Erliegen kommen. Welche Regeln gelten sollen, lesen Sie hier im Überblick

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist seit Wochen, eigentlich seit Monaten unzufrieden mit dem zögerlichen Vorgehen einiger Länderchefinnen und -chefs gegen die Pandemie. Schon im Herbst hatte sie sich schärfere Maßnahmen gewünscht - konnte sich aber nicht durchsetzen. Nun sind die Infektionszahlen wieder ähnlich hoch wie Mitte Dezember. Die britische Mutation des Coronavirus hat sich hierzulande durchgesetzt.

Merkel will jetzt handeln. Die Anfang März beim Corona-Gipfel vereinbarte Notbremse soll endlich kommen, der Lockdown massiv verschärft werden, auch wenn zahlreiche Regionen sich dagegen sperren. Doch die Bundesregierung hat eine Option, die sie bisher in der Schublade gelassen hat: Mittels Infektionsschutzgesetz kann der Bund die Länder in der Pandemiebekämpfung ein Stückweit entmachten und so für einheitliche Regeln sorgen.

Coronavirus – Die wichtigsten News im Überblick

Wie könnten diese Regeln aussehen?

Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 3. März hatten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf eine sogenannte "Notbremse" verständigt, die immer dann greifen soll, wenn die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Region, einem Landkreis oder einem Bundesland an drei aufeinander folgenden Tagen über 100 liegt. Dies würde auch zuletzt aufgesetzte Modellprojekte wieder ausbremsen.

Die Notbremse war bisher freiwillig. Das soll sich ändern. Die Kanzlerin will sie nun konsequent umsetzen. So steht es auch in einem Entwurf der Bundesregierung (Stand: 9.4.), der dieser Redaktion vorliegt.

In dem Entwurf heißt es demnach: "Zudem wird die Bundesregierung ermächtigt, zur einheitlichen Festsetzung von Corona-Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen." Dies soll immer dann erfolgen, wenn die Inzidenzwerte den 100er-Wert überschreiten. Die Rechtsverordnungen in der Pandemie zu erlassen, lag bislang einzig in der Kompetenz der Länder.

Was mit der "Notbremse" wieder gelten soll:

  • Private Zusammenkünfte: Ein Haushalt darf sich mit der Notbremse pro Tag nur mit einer weiteren Person aus einem anderen Haushalt treffen - im öffentlichen wie im privaten Raum. Kinder bis 14 Jahre werden dabei nicht mitgezählt. Paare gelten als ein Haushalt. In zahlreichen Städten gelten außerdem schon jetzt abendliche Ausgangsbeschränkungen. Der Entwurf sieht nun eine bundesweite Ausgangssperre von täglich 21 bis 5 Uhr vor - mit wenigen Ausnahmen wie medizinischen Notfällen, beruflicher Tätigkeit, Unterstützung pflegebedürftiger Menschen oder zur Versorgung von Tieren.
  • Einzelhandel: "Click&Meet" sollte pandemiegerechtes Shoppen ermöglichen - aber nur bei einer konstanten Inzidenz von unter 100. Wird dies überschritten, soll das Terminshopping im Einzelhandel wieder wegfallen. Dem Gesetzentwurf der Regierung nach sollen nur Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Reformhäuser, Apotheken, Drogerien und Tankstellen geöffnet bleiben. Handel, Dienstleistungs- und Handwerksgeschäfte müssen demnach schließen.
  • Schulen: Schulen, Hochschulen und Erwachsenenbildung sollen laut Entwurf nur noch im Distanzunterricht laufen. Ausnahmen soll es nur bei einer Notbetreuung geben, die sicherstellt, dass maximal ein Fünftel der Schüler oder Studenten anwesend ist. Alternativ soll Präsenzunterricht zulässig sein, wenn ein aktueller negativer Corona-Test vorliegt. Steigt die Inzidenz in einem Landkreis aber auf über 200, sollen laut Regierungsentwurf auch diese Optionen wegfallen.
  • Arbeitsplatz: Homeoffice soll ermöglicht werden, "wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen". Eine Pflicht zum Homeoffice sieht der Entwurf der Bundesregierung nicht vor.
  • Freizeit: Zuvor waren etwa in Museen, Zoos und Gedenkstätten Besucher mit vorheriger Terminbuchung zugelassen. Wird die Notbremse konsequent umgesetzt, dürfte dies wieder kassiert werden. Im Entwurf der Bundesregierung schließt dies Freizeitparks, Indoorspielplätze, Seilbahnen, Thermen, Spielhallen und Bordelle mit ein.
  • Sport: Individualsport mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten und Sport in Gruppen von bis zu 20 Kindern bis 14 Jahren im Außenbereich - das war bislang erlaubt. Mit der Notbremse könnte auch das wieder entfallen oder verschärft werden. So sieht es auch das Papier der Bundesregierung vor. Amateur- und Breitensport dürfen weiterhin nicht ausgeübt werden, Profisport nur ohne Zuschauer.
  • Fahr- und Flugschulen: Diese mussten Hygienekonzepte vorlegen und durften daraufhin wieder öffnen. Dies müsste laut MPK-Beschluss von Anfang März wieder zurückgenommen werden. Ob es dazu aber kommt, könnte auch von verschärften Testkonzepten abhängig gemacht werden.
  • Kosmetiker und Barbershops: Auch diese "körpernahen Dienstleistungen" durften seit Anfang März wieder öffnen. Besonderheit: Weil bei einer Rasur oder einer Gesichtsbehandlung keine Maske getragen werden kann, ist ein tagesaktueller Corona-Schnelltest oder -Selbsttest erforderlich. Für das Personal muss ein Testkonzept vorliegen. Weil diese Rahmenbedingungen auch weiterhin erfüllbar sind, könnte es sein, dass entsprechende Studios geöffnet bleiben dürfen.
  • Gastronomie: Cafés und Restaurants bleiben geschlossen, darunter auch Betriebskantinen. Das plant die Bundesregierung für die kommenden Wochen. Essen "to go" soll aber weiterhin erlaubt sein.
  • Religion: Gottesdienste und religiöse Zusammenkünfte sollen nach dem Entwurf der Bundesregierung nicht von der Verschärfung berührt werden. Für sie gilt aber weiterhin, was bereits beschlossen wurde: Abstand halten, Maske, reduzierte Teilnehmerzahlen.
  • Hotels: Übernachtungen in Hotels und Pensionen zu touristischen Zwecken sollen weiterhin untersagt sein.

Klar ist vor allem, dass Bund und Länder sich im Einzelnen mit ihrem Beschluss vom 3. März befassen müssen - und dass zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes der Bundestag hinzugezogen werden muss.

Vor diesem Hintergrund ist noch nicht bekannt, wie schnell die von Merkel angestrebte Gesetzesänderung tatsächlich zustande kommt. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, es könne sehr schnell gehen - zur Not reiche sogar eine einzige Sitzungswoche.

Auch die Sprecherin der Bundesregierung drückt aufs Tempo: Die Änderungen am Infektionsschutzgesetz sollen schon in der Woche ab 12. April vom Kabinett beschlossen werden. Die nächste Sitzung der Bundesregierung werde in jener Woche von Mittwoch auf Dienstag vorgezogen. Eine Ministerpräsidentenkonferenz soll es in der Woche überhaupt nicht mehr geben.

Der Bundestag muss den Änderungen zustimmen, er kommt planmäßig vom kommenden Mittwoch bis Freitag zusammen. Auch der Bundesrat muss die Nachschärfungen billigen. Die nächste Sitzung der Länderkammer ist am 7. Mai geplant, es könnte aber eine Sondersitzung geben.

Merkels Ziel ist in jedem Fall, dem Land einen kurzen und harten Lockdown zu verordnen - ganz im Sinne von Wissenschaftlern, Ärzten und zahlreichen Politikern, die seit Wochen vor einer Eskalation der Corona-Lage warnen.

(mja/dpa)

Corona - Mehr Infos zum Thema

Let's block ads! (Why?)

Artikel von & Weiterlesen ( Corona-Notbremse: So könnte der neue Lockdown aussehen - Westdeutsche Allgemeine Zeitung )
https://ift.tt/3mBE26A
Deutschland

Bagikan Berita Ini

0 Response to "Corona-Notbremse: So könnte der neue Lockdown aussehen - Westdeutsche Allgemeine Zeitung"

Post a Comment

Blogger news

Powered by Blogger.