Stand: 14.05.2021 03:50 Uhr
Im Wettstreit zwischen Union, Grünen und SPD ums Kanzleramt will die FDP nicht vergessen werden. Ihr Parteitag soll zeigen: Wir sind da - und wollen mitregieren. Frank Jahn über das neue Selbstbewusstsein der FDP.
Von Frank Jahn, ARD-Hauptstadtstudio
Parteichef Christian Lindner gibt selbstbewusst den Kurs vor: Ohne die FDP solle nach der Bundestagswahl keine seriöse Regierung gebildet werden können. Seriös - das heißt für ihn: mit FDP-Beteiligung.
Mit Umfragewerten für die Bundestagswahl wie den zwölf Prozent im aktuellen DeutschlandTrend für das ARD-Morgenmagazin haben die Liberalen Grund zum Optimismus. Ende 2020 lagen sie im DeutschlandTrend noch bei sechs Prozent.
Zuversicht statt Zittern
Das Comeback sichert Linder breiten Zuspruch in seiner Partei und beflügelt die Ambitionen der Liberalen. Die FDP sei "bereit zur Übernahme von Verantwortung", sagte er bei der Vorstellung des Wahlprogramms im April: "Unser Wahlziel ist die Umsetzung unseres Wahlprogramms. Dafür wollen wir so stark zweistellig werden, dass es in unserem Land keine schwarz-grüne und keine grün-rot-rote Mehrheit gibt."
Anders gesagt: Eine Regierung soll es nur mit der FDP geben. Aus dem Zittern vor der Fünf-Prozent-Hürde ist große Zuversicht geworden. Dabei schien es Anfang 2020 noch so, als hätten sich die Liberalen wieder selbst ins Aus geschossen. Der Thüringer FDP-Mann Thomas Kemmerich ließ sich im Februar 2020 mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen. Dem Tabubruch folgte das Tief in den Umfragen. Doch dann kam Corona.
Kritik am Corona-Kurs der Regierung
Die FDP setzte mit - wie sie es sieht - konstruktiver Kritik an den Regierungsmaßnahmen gegen die Pandemie eigene Akzente. Eine Erklärung für die neue Stärke, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch von der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Die FDP verbinde ihre Kritik an der Form der Pandemiebekämpfung mit ihrem klassischen Profil der Bürgerrechtspartei, das in den vergangenen Jahren eher schwach ausgeprägt gewesen sei. "Sie kann also an ihren früheren Markenkern anknüpfen."
Damit erreiche die Partei derzeit verschiedene Wählergruppen, darunter auch die Kritiker der Pandemiebekämpfung, "denen die AfD wegen ihrer extremistischen Haltung und des Auftretens von Teilen ihres Personals als anstößig und unappetitlich erscheint", sagt Münch.
Neuer Anlauf für Jamaika?
Die gestärkten Liberalen könnten im Farbenspiel um Berliner Bündnisse entscheidend sein. Für eine Jamaika-Koalition zum Beispiel. Es wäre der zweite Anlauf. 2017 hätte die FDP mit Union und Grünen regieren können. Doch die FDP sagte Nein. Besser nicht regieren, als falsch regieren, lautete die Begründung von Parteichef Lindner.
Seitdem hängt der Partei der Vorwurf an, sich aus der Verantwortung geschlichen zu haben. Nach Ansicht von Politologin Münch steckt die FDP damit schon jetzt im Dilemma. Denn ein zweites Mal könne sie sich so ein Verhalten nicht leisten. Bei eventuellen Koalitionsverhandlungen nach der Wahl im Herbst sei sie daher ein eher schwacher Verhandlungspartner.
Käme es nach der Wahl im September wieder zu Verhandlungen mit Union und Grünen, wären die teilnehmenden Parteien zwar die selben, doch die Akteure nicht. Angela Merkel verlässt die Bühne. Armin Laschet führt nun die Union. Mit ihm kann Lindner bestens. In Nordrhein-Westfalen schmiedeten sie die schwarz-gelbe Koalition. Zur Union gebe es die größte politische Nähe, sagt Lindner. Doch lesen beide deshalb nicht bei allem Fragen vom selben Blatt.
Streitthema Rentenpolitik
Die FDP will zum Beispiel dringend die Sozialsystemen modernisieren. Auf dem Wunschzettel des Wahlprogramms stehen ein flexibler Renteneintritt und eine gesetzliche Aktienrente. Zwei Prozent vom Bruttoeinkommen sollen dafür an der Börse angelegt werden. Aber geht das mit der Union?
FDP-Sozialfachmann Johannes Vogel sieht da bislang bei der Union genauso wenig Reformwillen wie bei SPD und Grünen: "Da haben wir in den letzten Jahren ein Versagen erlebt, weil hier von SPD über Grüne bis gar hin zur Union eine Sozialpolitik gemacht und vertreten wurde, die nicht ausreichend ans Morgen denkt. Der sogenannte Wirtschaftsflügel der Union hat in den letzten Jahren die unverantwortliche Rentenpolitik mitgemacht."
Für Vogel, der auch für das Amt des Parteivizes kandidiert, gehört das Thema ganz nach oben auf der Agenda für Koalitionsverhandlungen: "Die nächste Legislaturperiode ist die letzte, bevor die geburtenstarken Jahrgänge anfangen, in Rente zu gehen. Wenn wir also vorher die Rente noch stabilisieren wollen - diese Chance müssen wir nutzen - dann ist die nächste Legislaturperiode die, um die es geht."
Passt gelb zu grün?
Im Farbenspiel gibt es auch die Möglichkeit einer Ampel mit SPD und Grünen. Doch auch dafür müssten die Gelben mit den Grünen zusammenpassen. Das machte FDP-Generalsekretär Volker Wissing in Rheinland-Pfalz vor. So erfolgreich, dass die Ampel bei der jüngsten Landtagswahl bestätigt wurde.
Doch wie es zwischen Grünen und FDP auch knirschen kann, konnten sie in Mainz erleben - beim Topthema Klimaschutz. Die Grünen kämpften zum Beispiel für eine Solaranlagenpflicht auf allen Neubauten. Das war mit der FDP nicht zu machen.
Ein Vorgeschmack für Verhandlungen im Bund. Die Grünen wollen den Verbrennungsmotor verbieten. Die FDP will ihn sauberer machen. Die Grünen wollen den CO2-Preis anheben. Die FDP will einen Deckel für den CO2-Ausstoß. Die Ausstoßmengen sollen per Zertifikate-Handel gekauft und verkauft werden können.
"Die Grünen setzen eher auf staatliche Planung und Steuerung", betont FDP-Generalsekretär Wissing. Die FDP hingegen auf die "Agilität der Marktwirtschaft".
Rote Linien
Harte Diskussionen mit den Grünen wären programmiert - egal ob bei Verhandlungen über Jamaika oder die Ampel. Und auch mit der SPD von Olaf Scholz kann es knirschen, sollte eine Ampel verhandelt werden. Gerade beim wichtigsten Thema für die FDP: Steuersenkungen. Die SPD will im Fall einer erneuten Beteiligung an der Bundesregierung Steuern erhöhen. Der Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer soll steigen. Die FDP will Steuern senken.
Lindner zog hier eine rote Linie für mögliche Koalitionsverhandlungen: "Klar ist, dass für uns Steuererhöhungen ausgeschlossen sind. Da kann ich eine politische Garantie abgeben."
Markige Worte, die wohl klarmachen sollen, dass die FDP beides hat: feste Prinzipien und den Willen zum Regieren. Wie das zusammengeht, wird sich zeigen, wenn die FDP tatsächlich für eine Regierungsmehrheit gebraucht werden sollte.
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