SPD-Chef Norbert Walter-Borjans geht davon aus, dass SPD, Grünen und FDP bis zum Dezember eine Ampel-Koalition ausgehandelt haben. „Die Regierung sollte bis zum Jahresende stehen. Das ist machbar“, sagte Walter-Borjans WELT AM SONNTAG.
„Wir müssen diesmal nicht bis zum Umfallen sondieren, denn wir wollen eine Ampel, in die alle drei Partner ihre Stärken einbringen. So gesehen könnten wir im Oktober mit den formellen Koalitionsverhandlungen beginnen und sie bis Dezember abschließen.“
Aus dem Scheitern der Verhandlungen von Union, Grünen und FDP im Jahr 2017 müsse man lernen und die Art, wie Sondierungsgespräche geführt würden, ändern, fordert der SPD-Parteivorsitzende. „Ich denke, dass es nicht zielführend ist, gleich zu Beginn zu sehr in die Details zu gehen. Man braucht eine große gemeinsame Linie und ein gemeinsames Narrativ. Das sollte man sehr früh gemeinsam definieren“, so Walter-Borjans.
„Auch später muss nicht jedes Detail in einem Koalitionsvertrag festgeschrieben werden. Wichtiger als eine allumfassende Festlegung ist, dass wir uns auf Mechanismen verständigen, wie man auf bestimmte Herausforderungen reagiert“, meint der Parteivorsitzende.
Der Forderung von Parteivize Kevin Kühnert nach einer Mitgliederbefragung zu einer Koalitionsvereinbarung mit den Liberalen und Grünen schloss sich der Parteivorsitzende nicht an. Natürlich sei „eine Willensbekundung der Mitglieder wichtig“, so Walter-Borjans.
„Wir wollen nicht in Zeiten zurückfallen, in denen die Parteispitze etwas aushandelt und dann an die Basis eine E-Mail schickt mit der Aufforderung, schwenkt das Fähnchen und freut euch.“ Andererseits herrsche in der Partei große Geschlossenheit.
Scholz zentrale Figur – für alle
„Die Sozialdemokraten wollen, dass die Partei regiert, sie sind für die Ampel. Wir haben gemeinsam ein Programm dafür erarbeitet und dabei unsere Mitglieder sehr breit beteiligt. Insofern sehe ich eine Mitgliederbefragung zum kommenden Parteitag nicht als zwingend nötig an, es sind auch andere Formen der Mitsprache denkbar“, sagte Walter-Borjans der Zeitung.
Er verwies vor Beginn der Sondierungen mit den Grünen und der FDP an diesem Sonntag auf die inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit den drei Parteien, aber auch auf die herausgehobene Position der SPD in einer Ampel-Koalition.
„Formal sind die kommenden Gespräche eine Verhandlung von Parteien, also haben die Parteichefs ihre besondere Rolle. Aber das Ziel ist die Bildung einer Regierung, deren Kanzler Olaf Scholz heißen soll“, sagte Walter-Borjans. „Insofern ist er die zentrale Figur – und zwar für alle, nicht nur für die SPD. Wenn er Kanzler ist, hat er schließlich die Richtlinienkompetenz. So will es das Grundgesetz.“
Mit Blick auf die Mahnung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich an die Adresse von Grünen und FDP, nicht die Fehler der gescheiterten Jamaika-Sondierungen von 2017 zu wiederholen, sagte Walter-Borjans: „Dass aber der Chef der größten Fraktion im Deutschen Bundestag in einem Interview ernsthafte und zielführende Verhandlungen erwartet und den Anspruch erhebt, dass seine Partei den Kanzler stellt, der wiederum nach Artikel 65 des Grundgesetzes die Richtlinien der Regierungspolitik bestimmt, ist seine Aufgabe.“
Mützenichs Äußerungen hatten bei Grünen und FDP für Irritationen gesorgt. Reinhard Bütikofer, Abgeordneter im Europa-Parlament und von 2002 bis 2008 einer der beiden Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, twitterte: „Um bei der Wahrheit zu bleiben: Etwas weniger als 26 Prozent der BürgerInnen und Bürger haben Olaf Scholz gewählt. Es tut der SPD nicht gut, jetzt zu sehr auf dicke Hose zu machen. In einer Ampel-Koalition wäre die SPD eine von drei Minderheiten.“
Der SPD-Parteichef betonte, dass es viele inhaltliche Gemeinsamkeiten mit Grünen und FDP gebe: „Wir wollen kein ,Weiter so‘, sondern einen echten Aufbruch. Große Überschneidungen sehe ich bei allen drei Parteien darin, massiv in Infrastruktur, Mobilität und Forschung und Entwicklung investieren zu wollen und Innovation zu fördern. Aber auch in der Gesellschaftspolitik haben wir viel gemeinsam.“
Eine Fortsetzung der Koalition mit der Union steht nicht auf der Agenda der SPD. Die Sozialdemokraten seien bei einigen Bundestagsentscheidungen in der vergangenen Legislaturperiode „vom Koalitionspartner in konservative Geiselhaft genommen“ worden. SPD, Grüne und FDP lägen dagegen besonders in gesellschaftspolitischen Bereichen eng beieinander.
„Alle drei stehen für Weltoffenheit, für Leben und leben lassen und für Toleranz und kulturelle Vielfalt. Ich bin ein Kind der sozialliberalen Ära Willy Brandts. In diesem Geist würde mir eine solche Zusammenarbeit zusammen mit Bündnis90/Die Grünen durchaus Spaß machen“, sagte Walter-Borjans.
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