Die steigenden Energiepreise und Heizkosten sollen zum zentralen Thema in den Verhandlungen über eine Ampel-Koalition werden. Entsprechende Forderungen wurden am Wochenende parteiübergreifend laut.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mahnte im WELT-Interview: Die neue Bundesregierung werde sehr genau darauf achten müssen, dass Klimaschutz auch für Menschen mit geringerem Einkommen bezahlbar bleibt. Er unterstützte den Vorstoß von CSU-Chef Markus Söder für eine Absenkung der Stromsteuer und forderte eine erneute Erhöhung der Pendlerpauschale.
Söder hattte im WELT AM SONNTAG-Interview vorgeschlagen, kurzfristig mit Heizkostenzuschüssen und Energiesteuersenkungen zu reagieren. „Die ökologische Frage darf nicht zu einer neuen sozialen Frage werden. Wir brauchen eine echte Gaspreisbremse für einen kalten Winter.“
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf der CSU vor, die Linkspartei zu kopieren: „Markus Söder und Sahra Wagenknecht gehen da Hand in Hand. Die Forderungen sollten aber gerne mit einer Gegenfinanzierung unterlegt werden, wir sprechen da schnell von zweistelligen Milliardenbeträgen“, so Krischer. „Die heutigen Probleme resultieren aus der Zustimmung der Union, dass Gazprom 25 Prozent der Kapazitäten der deutschen Gasspeicher übernehmen durfte und dass der preisdämpfende Ausbau der erneuerbaren Energien ausgebremst wurde.“
Kritik an der Rolle der bisherigen unionsgeführten Bundesregierung kam auch aus der FDP: Die amtierende Regierung habe in Bezug auf den Energiemarkt gravierende Fehler begangen, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. „Jetzt kommt es darauf an, den Strompreis für Endverbraucher durch eine Abschaffung der EEG-Umlage zu senken und mit einer massiven Planungsbeschleunigung beispielsweise für Netze und dem Ausbau von modernen Gaskraftwerken sowie erneuerbaren Energien diesen Entwicklungen entgegenzuwirken.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, verlangte ein sofortiges Verbot von Strom- und Gassperren. „Energie ist ein Grundrecht und darf nicht ‚dem freien Spiel des Marktes‘ unterworfen sein“, so Korte. „Statt weiter in Lethargie zu verfallen, sollte jetzt gehandelt und umgehend ein Sozial- und Energiegipfel einberufen werden. Von der nächsten Bundesregierung muss es eine Garantie dafür geben, dass die Energiewende nicht auf dem Rücken der kleinen Leute ausgetragen, sondern sozial gerecht gestaltet wird.“
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel wertete Söders Vorstoß als „halbherzig“. Steuern und Abgaben seien die größten Preistreiber bei den Energie-, Heizungs- und Spritkosten. „Die Aussetzung kostspieliger ideologischer Projekte mit fragwürdigem Ausgang wie ‚Energiewende‘ und CO2-Besteuerung muss oberste politische Priorität haben“, forderte Weidel. Die EEG-Umlage müsse abgeschafft und die Mehrwertsteuer deutlich gesenkt werden. „Zu einer wirksamen Dämpfung der Energiepreise gehört auch, dass wir in einer solchen Situation nicht noch unsere letzten grundlastfähigen Kernkraftwerke, welche eine saubere und verlässliche Energieversorgung gewährleisten, abschalten.“
Um die Klimaschutzziele zu erfüllen und den CO2-Ausstoß zu begrenzen, muss die kommende Bundesregierung nach Ansicht des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) den Ausbau der Produktion erneuerbarer Energien massiv vorantreiben. Werde das bisherige Tempo beibehalten, drohe eine massive „Grünstrom-Lücke“, warnt das IW in einer neuen Studie, die WELT vorliegt. „Die bisherigen Ausbauziele, die erst zu Beginn des Jahres verabschiedet wurden, reichen bei Weitem nicht aus. Ein daraus resultierendes Verpassen der Klimaziele hätte nicht nur politische Folgen, sondern vor allem ökologische Kosten“, heißt es darin.
Nach Berechnungen des IW ergibt sich auf Basis der Ausbaupläne nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) „eine Grünstrom-Lücke zwischen etwa 80 und 100 Terawattstunden. Das entspricht 14 bis 17 Prozent des durchschnittlichen deutschen Stromverbrauchs der letzten Jahre“. Ein Terawatt sind 1000 Gigawatt.
Die bisherigen Pläne sehen einen jährlichen Ausbau der Windenergie an Land in den kommenden Jahren von etwa vier Gigawatt (GW) auf insgesamt 71 GW und bei der Solarenergie von jährlich fünf GW auf 100 GW vor. Das reicht angesichts eines steigenden Bedarfs an sauberem Strom zum Beispiel für Elektroautos oder Wärmepumpe laut IW nicht.
„Eine Möglichkeit zur Erreichung der gesteckten Ziele wäre eine Anhebung auf insgesamt knapp 90 GW Wind an Land, mindestens 140 GW Fotovoltaik und 25 GW Wind Offshore im Jahr 2030. Dies könnte die erwartbare Grünstrom-Lücke verhindern.“ Damit ein Ausbau in dieser Dimension gelingt, müssten Planungsprozesse beschleunigt und die 2019 eingeführten Mindestabstände für Windanlagen revidiert werden.
Artikel von & Weiterlesen ( Forderung nach Preisdämpfung: „Energie ist ein Grundrecht“ - WELT )https://ift.tt/3DSZj34
Deutschland
Bagikan Berita Ini
0 Response to "Forderung nach Preisdämpfung: „Energie ist ein Grundrecht“ - WELT"
Post a Comment